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Altes Kino: Filme. Neues Kino: Meme.
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monochrom: "Carefully Selected Moments"

Ok, das dehnt etwas die Definition dieses Blogs, hier eine Plattenbesprechung reinzuhauen. (Ich könnte mich ja jetzt rechtfertigen, indem ich einen Kino-Bezug zur Besprechung einer österreichischen Platte damit herstelle, dass ich vorgestern den Falco-Film gesehen habe. Aber da könnte ich auch gleich versuchen, über eine Bezüglichkeit der Besprochenen zur Internetkultur eine Bezüglichkeit zur Redefinition dieses Blogs als einem zu Phänomenen der Internetkultur herzustellen, das wäre nicht wesentlich abwegiger. Egal, ich beginne schon jetzt, mich in meinen Formulierungen zu verhaspeln.)

Jedenfalls! Empfohlen sei die neue Compact Disc “Carefully Selected Moments” des österreichischen “Kunst-Technologie-Philosophie Kollektiv[s]” (Wikipedia) monochrom (plomlompom berichtete). Sie enthält eine große musikalische Vielfalt von akustischen Erzeugnissen, die im Laufe der Geschichte von monochrom meist kollaborativ mit anderen Kräften zusammen entstanden sind, die mir alle nichts sagen, aber schicke Namen wie zum Beispiel “GameJew” oder “Max of Prey” tragen. Entstehungskontexte variieren von Einreichungen zu bemerkenswert klingenden CD-Kompilationen (etwa einer zur Würdigung aller 265 bisherigen historischen Päpste mit jeweils einem eigenen Stück, die den monochrom-Vorschlag dann aber gar nicht aufnahm) bis zur Fakerei des auch akustischen Schaffens ausgedachter österreichischer Kulturgrößen zur Repräsentanz ihres Landes auf fremdkontinentalen Biennalen. Inhaltliche Schwerpunkte liegen irgendwo zwischen Soziologie, Diskurskritik, Computer- und Internetkultur und noch einigen weiteren Sachen, die ich nicht kohärent einkategorisieren kann, die aber gut mein neuronales Netz triggern. (Der geneigte Leser möge nun bitte auf die monochrom-Seite zur CD gehen und sich dort die Booklet-Texte zu den Entstehungsgeschichten und Konzepten der Stücke durchlesen, sie geben nicht nur einen guten Querschnitt durch die CD, sondern auch durch das inspirierende Kunstprojekte-Treiben von monochrom.) Derlei ist dann verpackt in musikalische Formate wie Kunstinstallations-Elektronik, Country- und Schlager-/Volksmusik oder ein Micro-Rockmusical. Ein paar Notizen zu einigen (längst nicht allen) Stücken:

Perfekt als Einstieg gewählt im Sinne von: als Irritationsmoment den Weg für den Rest der CD frei machend, ist der erste Track “Garz” eine sich durch einen langsam aufkommenden Hintergrund-Beat zu irgendwas Rap-Ähnlichem steigernde Abfolge von gerufenen Parolen wie “Repariert, was euch kaputt macht!”, “Schießt auf Sloterdijk!” oder “Dark-Waver! 16jährige Dark-Waver! Wir kommen, um euch zu holen!” Die Konstruktion markiger Irritationssprüche erkläre ich jetzt mal pauschal zu einer Kompetenz, die monochrom besonders gut beherrschen, und hier kriegt man eine vierminütige Ballung davon, die für sich allein schon die Anschaffung des Objektes lohnen würde.

Das zugänglichste und irgendwie auch ohrwurmigste Werk ist das sechsminütige Rockmusical “myfacespace.com”, das für eine Big-Brother-Awards-Gala die Privacy-Politiken so manchen Web-2.0-Social-Networks thematisiert und gerade öfter bei mir in einer Repeat-Schleife landet; dafür eignet es sich evtl. primär durch seine Wiederholungs-Strukturen vom repititiven Ping-Pong-Dialog am Anfang bis zum repititiven Werbeslogan-Chor am Schluss, glänzt aber auch durch einen hysterischen Mad-Man-Monolog von monochromist Johannes Grenzfurthner in der Mitte als, schauder, “The Administrator”; zu eben diesem Werk sei auch diese Video-Aufzeichnung seiner ursprünglichen Aufführung empfohlen (wobei die Neuaufnahme auf der CD musikalisch besser funktioniert als die Tonspur des verlinkten Videos).

Schon vorher eines meiner Lieblingslieder von monochrom war “Farewell To Overhead”, ein nostalgisches Stück über die ausgestorbene (Kultur-)Technik des Overhead-Projektors (bei mir in der Schule sagte man ja noch “Polylux”, die ostdeutsche Sozialisation des Lehrbetriebs, ne), das hier auch in einer Fassung abgelegt ist, die aber etwas anders ist als die, die ich bisher kannte, etwas mehr emo und zuweilen fast schon walzerförmig. Ist nostalgisch vielleicht sogar angemessener so, aber die ältere Version hat sich bei mir bereits so stark ins Hirn eingeätzt, dass ich sie weiterhin dieser Variante vorziehe.

Erbaulich schlägt bei mir “Die wichtigsten Gründe” auf, das im musikalischen Gewand von “pop folksong mainstream” (Booklet-Text) überaus schunkelig vom Aufeinanderprallen von Wissenschafts- und Genderpolitik singt, über Abwehrmechanismen im akademischen Betrieb der Mediävistik gegenüber einer Arbeit, die eine weibliche (Nonnen-)Autorenschaft des Nibelungenlieds theoretisiert. Es entfaltet einen guten Effekt, wenn Sätze wie “Es ist ja ganz egal / wer hier wirklich Autor war / der war ja Autor nicht / er war nur Funktion” so vorgetragen werden wie der Liedtext einer volkstümlichen MDR-Weihnachtsgala-Liednummer, und verwirrt auf jeden Fall produktiv die reflexhafte Zuschreibung von Kleingeistigkeit an das eine oder das andere.

Zur schon weiter oben in Klammern erwähnten Päpste-Kompilation gebaren monochrom eine Hymne, “Hello Lando” über das Wirken von Papst Lando, der im Jahr 913 wirkte und über den genau gar nichts überliefert ist, außer dass er wohl mal eine Kirche in seinem Heimatort gestiftet hat, was ihn wiederum für monochrom sehr lobenswert macht, denn (“no history is good history”) ein Papst, dessen Handlungen keine weiteren Spuren hinterlassen haben, kann ein so übler Papst nicht gewesen sein.

Sehr LSD-hippiesk klingt “Flowers”, dessen englischen Text ich nur eingeschränkt verstehe, das aber wohl laut Booklet-Text Themen-Song einer Blumen-basierten Alternativwährung sein sollte, in die monochrom einen Anti-Geld-Reflex ventilisierten. Noch weniger textlich verstehe ich, offenbar mangels Österreichisch-Kenntnis, “Im söbn Boot” und “Die oide Celtic Frost”, wobei letzteres sich durch die vom Booklet-Kommentartext nahegelegte Vorstellung retten kann, dass es einen Gesang von Noam Chomsky vor der Kulisse des ZDF Nachtstudios über seine Begeisterung für Metal-Musik wiedergeben soll.

Inhaltlich, nämlich arbeitskulturenanalytisch, noch besonders markant ist “Lidl-Girl”, das Sehnsuchts-Lied eines To-Do-Listen-geplagten Freelancers mit ungeregelten Arbeitszeiten gegenüber dem von ihm vorgestellten Arbeitsleben mit festen Arbeitszeiten und festem monatlichen Lohn jener Lidl-Supermarkt-Angestellten, bei der er sich seinen Kaffee zum Durchmachen der Nächte bis zur frühmorgendlichen Deadline besorgt, während sie nach klar definiertem Schichtende im trauten Heim vor dem Fernsehen abschalten könne. Eine Analyse einiger Befindlichkeiten von Digitaler Bohème und neuer Selbständigkeit, die ich durch meine Assoziation mit dem Hallenprojekt.de (“Neue Orte für neues Arbeiten”) vor allem bei Liedzeilen wie “Kennst du diese Einsamkeit von Arbeiten zu hause?” interessiert aufgesogen habe.

Zur gesangsfreien Klangberieselung mehr oder weniger geeignet sind “Der Oxo Raster” und “Tonki Gebauer: Song”. Ersteres ist, laut Booklet-Text über die Anerkennung der These, dass Flatulenzen das wesentliche Medium zum Anlocken außerirdischer Existenz seien, eine Homage an einen (diese später durch Carl Sagan validisierte These präsentierenden) Louis-de-Funes-Film über ein Nachspielen von dessen Raymond-Lefèvre-Score, das ursprünglich für ein Album mit dem tollen Titel “Wir essen Krill, den Welternährer. Ein Erlebnisbericht”, das hier online angehört werden kann, produziert wurde und sich auf heitere Weise exotisch anhört. Zweiteres ist der zehnminütige Auszug eines einstündigen Versuchs, den experimentell-elektronischen Soundtrack zu imaginieren, den der fiktive Wiener Video-Künstler Tonki Gebauer zu seinem “critical video remix” von Fritz Langs Ring der Nibelungen für die Biennale zu Sao Paulo gebastelt haben mag, ein “brave but forlorn fight with pettiness and arbitrariness for 60 minutes” (Booklet-Text), den man sich in Bild und Ton voller Länge staunend (staunend, wirklich) hier angucken kann (auch hier gilt wieder: die Tonspur des Videos ist dem Track auf der CD um Welten unterlegen). Mir fehlen die Worte, habe es spontan zu einem meiner Lieblingsprojekte von monochrom erkoren.

DISCLAIMER: Ich bin, falls man das bei Lektüre des obigen Textes noch nicht gemerkt haben sollte, ein ziemlicher monochrom-Fan.

Kommentare [2]   Monday June 9, 2008

Die Wiederholung

Das Wesentliche an den Memen ist auch, dass sie nicht im konventionellen Sinne alt werden. Ich kann mir William Shatners Rocket-Man-Vortrag auch zum hundertsten Mal anschauen, er wird nicht langweilig, und er verzerrt mir jedes Mal aufs Neue das Gesicht. Internet-Meme funktionieren nicht nach dramaturgischen Mustern, deren Wirkung bei Wiederholung schwächer wird; eher leben sie eher erst in der Wiederholung auf. Extreme Fälle funktionieren nur als Endlosschleife, zum Beispiel das Loituma Girl. Oder denken wir ans Rick-Rolling — das Brutale daran ist, dass es immer wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder geschieht.

Ein Mem ist eigentlich nie tot, es schläft nur, weil andere Meme gerade populärer sind. Man kann auch heute noch den Hamster Dance rausholen.

Was hat es auf sich mit dieser Lust, im Immer-Wieder-Gleichen aufzugehen?

  Monday June 2, 2008

Mem des Tages (*): Josef Fritzl, King of Australia

[Hier war mal ein YouTube-Embed, nun ist hier nur noch dieser Link aufs Video.]

Wesentlicher als das Video ist der YouTube-Kommentarthread.

In other news, hier eine weitere Besprechung von mir für fudder.de, von Michael Hanekes FUNNY GAMES U.S., passt ja auch irgendwie rein.

(*) Ja, mir ist schon klar, dass das Mem schon einige Tage/Wochen älter ist.

Kommentare [2]   Monday June 2, 2008

Ich kann nicht anders

[Hier war mal ein YouTube-Embed, nun ist hier nur noch dieser Link aufs Video.]

Ich frage mich, wie hoch der Anteil von animierten GIFs am Rohmaterial ist. 80%? 90%? 100%? Außerdem spannend, wie sich bei 1:47 das Weegee- und das Sparta-Mem kreuzen.

  Sunday May 25, 2008

Kooptation von Internet-Memen

durch ältere kulturindustrielle Formen gibt es natürlich immer mal wieder.

Sowas kommt bei den coolen Leuten aber komischerweise besser an als sowas (Wikipedia-Erklärung für den zweiten Link und zugleich einen Teil des gegenwärtigen Headerbildes dieses Blogs).

Vage related: Konservativpolemiker Glenn Beck imitiert den Dramatic Chipmunk. (Ich weiß, das ist eigentlich total schlimm, aber irgendwie kann ich Glenn Beck nicht böse sein, aber das habe ich mit Penn Jillette gemein.)

  Sunday May 25, 2008

Filmkritik bei Twitter und Fudder

So sehr ich auch den Tod des Kinos beschwöre, irgendwie kommt mir doch ständig wieder irgendein Film unter die Schreibgriffel, wenn auch nicht notwendigerweise direkt hier im Blog. Zum Beispiel bei Twitter, neulich, mal wieder ein paar Shorties (ich hab mehr getwittert zu mehr Filmen die letzten Wochen, so Live-Twittering von Eisenstein-Wiedersichtungen und so, mit denen ich meinen Followern zuweilen auf die Nerven gehe, aber mehr als fünf Minuten wollt ich jetzt nicht suchen):

Kurzkritik Things We Lost in the Fire: fades Verlustdrogenjammertal aber Benicio del Toro glänzt amüsant durch exzessive Beniciodeltoroness.

Oder auch:

Kurzkritik Indy 4: nich so rund wie Indy 1-3 aber witzreicher Fan/Nostalgie-Service; Plot-delirantes Abfeiern des eigenen Jumping the Shark.

Oder auch:

Kurzkritik “Mein Bruder ist ein Einzelkind: Eher mit den Kommunisten als den Faschisten ein Hühnchen rupfen. Zu Anfang kantiger erzählt.

Zum Indy 4 ist mir dann, übrigens im Arrangement auch über verworrene Pfade via Twitter, eben noch eine Langkritik für Fudder.de rausgefallen. Den (unverschämt vorhersagbarerweise) intelligentesten Text zum Film hat aber fraglos Lukas bei critic.de abgeworfen (es ist ja geradezu peinlich, ihn ständig zu verlinken, aber damn, seine Texte sind einfach super, auch wenn ich mit ihren Wertungen subjektiv öfters mal nicht übereinstimme).

  Sunday May 25, 2008

Speed Racer

USA/BRD 2008, Andy & Larry Wachowski, 135 Minuten

Dieser Film ist nicht, wie vielfach kolportiert, eine Zukunft des Kinos, sondern eine bereits nostalgische Abschlussfeier desselben.

Gerade mal ein halbes Jahrhundert war das Kino als audiovisuelles Massenmedium konkurrenzlos vorne. Dann kam der Radio-mit-Bild-Konkurrent Fernsehen und zwang Hollywood zur strategischen Anpassung seiner Formeln: größere, breitere Bilder, stärkere Klangkulissen und eine langjährige Evolution der Spezialeffekte bis hin zur photorealistischen Simulierbarkeit von letztlich allem, was vorstellbar war. Der Gang zum Spektakel-Blockbuster war eine Maximalisierung der eigenen technischen Anordnung und damit zugleich, in Abkehr vom Kino als Erzählform für Geschichten und Charaktere, eine Rückkehr zu den Ursprüngen, zum Kino als Jahrmarktsattraktion um 1900, zur machtvollen Reizanordnung eines dunklen Zuschauersaales mit einer zentralen Fläche, auf die in fester Abfolge bewegtes Lichtbild projiziert und Klang hinzugespielt wurde. Wo das Kino sich maximalisierend auf dieses Wesentliche seines technischen Apparates besann, konnte es sich noch ein weiteres halbes Jahrhundert behaupten; wo es übermütig versuchte, über dieses ursprüngliche Wesentliche hinaus zu gehen, wie das 3D-Kino, stolperte es erfolglos in den Kuriositätengraben der Geschichte.

Im Produktionsjahr von Speed Racer nun ist der Konkurrenzkampf sehr viel schärfer geworden. Das Kino muss sich als Reizanordnung inzwischen gegen eine hyper-aggressive Reizflut Neuer Medien behaupten, die vom Epilepsie-Anime bis zum modernen Videospiel reicht, das nicht nur in puncto audiovisueller Stimulation und Simulation inzwischen alles kann, was auch das Kino kann, sondern seinen Konsumenten in eine — in Zeiten des Wii sogar ganzkörperliche — direkte Interaktion mit seiner vollumfänglichen Reizwelt verwickelt. Mir fällt kein bisheriger Hollywood-Blockbuster ein, bei dem sich diese Konkurrenz so direkt und bewusst in die Form einschreibt wie bei Speed Racer.

Dieser Film weiß um die enttäuschungsreiche Experimentalgeschichte zur Überwindung des Kinos durch das Kino; er weiß, dass er auf zukunftsnotwendigen Pfaden wie dem zur Interaktivität nicht wird folgen können. Er will sich im Untergang seiner Kunst aber dennoch nicht kampflos geschlagen geben. Er übersetzt die Bilderwelten von Video-Anime und Video-Spiel und selbst (in der primärfarbenbunten Idylle der Racer-Familien-Heimat) das Farben-übersättigte LSD-Kinderfernsehen à la Lazy Town in glänzendes Leinwandfutter, denn er möchte sich zumindest dort noch mit den Neuen Medien messen, wo die Form des Kinos vergleichbare Potentiale bietet. Er nimmt auch im Wissen um die letztendliche Überlegenheit seiner Gegner die Herausforderung sportlich, aus seiner spezifischen Kinoform wenigstens noch das Maximum als Reinanordnung herauszupressen, das möglich ist.

Und es ist genau der richtige historische Zeitpunkt hierfür, nicht zu spät und nicht zu früh, denn: Die technische Zähmung des Filmbildes ist rechtzeitig zum Fallen des Vorhangs vollständig abgeschlossen. Bei The Matrix konnte man vor wenigen Jahren noch über die vermeintlich neuen filmischen Möglichkeiten von Bullet Time staunen. Bei Speed Racer dagegen … Sicher: Er enthält einige hübsche Tricksereien, die ich zumindest so noch nicht auf einer Leinwand gesehen habe. Besonders begeistern da diverse räumliche, perspektivische Paradoxien; wo etwa photorealistische Dreidimensionalität mit einem vor allem aus Zeichentrick und Videospiel bekannten Parallax Scrolling kollidiert. Fährt die virtuelle Kamera etwa zu Anfang der Wüsten-Rallye eine Landschaft ab, findet sich diese in mehrere distinkte Bildebenen aufgeteilt, deren Bildinhalte sich in sich entlang der Kamerafahrt perspektivisch anders verschieben als die Bildebenen es untereinander tun. So eine paradoxe Auffaltung des Raums reizt enorm, indem sie die räumliche Kognition überfordert. Aber das Matrix-Staunen der Frage “Wie haben die das gemacht?” ruft es längst nicht mehr hervor.

Nicht mehr die in Tausenden von Making-Of-Featurettes breitgetretene Frage des Produktionstricks also braucht jetzt im Mittelpunkt des Staunens zu stehen, sondern nur noch die nach den letzten Möglichkeiten neuronaler Effekte als Eigentlichem des Kinos — ganz so wie am Anfang des Kinos wohl eher der wundersame Bewegungseindruck das Staunen hervorrief als die technische Produzierbarkeit einer raschen Abfolge von Lichtbildern, die Ende des 19. Jahrhunderts kein großes Wunderwerk mehr war. Speed Racer bemüht sich in einigen Passagen sichtlich um demonstrative oder experimentelle Maximalisierung bzw. vollständigen Erschöpfung der möglichen Reizbilder, die sich aus den Dimensionen von Zeit, Farbe und Sound auf einer zweidimensionalen Leinwand und hieraus herleitbaren Illusionen von Raum und Kraft herausquetschen lassen. Er kommt hierin auch zuweilen den aggressivsten Experimenten des Propaganda- und Avantgardefilms nahe. Der Höhepunkt ist nicht umsonst, nachdem längst die Alibi-Story befriedigt, der Bösewicht geschlagen ist, ein feierliches post-narratives Umrunden der Rennstrecke in einem Crescendo von Farben, Chorälen, Geschwindigkeits- und Explosionskraft, das sich schließlich in einem abstrakten Hypnose-Vortex à la Marcel Duchamps Rotoreliefs auflöst. Da spürt man sich dann tatsächlich körperlich über dem Kinositz schweben, wenn man nicht vorher aufgrund der ganzen Kameraschwenks durch wild flackernde Farbstrudel und non-euklidianische Räume aus Überfordertseins-Übelkeit den Saal verlassen musste.

Nostalgisch ist Speed Racer nicht so sehr durch seine Bezugnahme auf eine Kindheits-rezipierte Anime-Serie aus den 1960er Jahren, sondern durch ein selbstbewusstes Zelebrieren der Reizanordnung Kino zu einem Zeitpunkt, da diese Reizanordnung längst ins historische Hintertreffen gerät: Er lässt in seinem eben zitierten finalen Rennen den Titelhelden an einer Nachstellung der 1870er Bewegungsphotographien von Eadweard Muybridge vorbeirasen, die durch eben dieses Vorbeirasen zum bewegten Bild als Urstein des Kinos und damit auch von Speed Racer gerinnen, der diesen Rückbezug aber schon nur noch in einem Szenario und einer Bilderwelt unterbringen kann, die bereits solchen Nachfolgern des Kinos Tribut zollen, die mit einer vorbestimmten Abfolge photographischer Bilder rein gar nichts mehr zu tun haben. Inmitten der fast vollständig Computer-generierten Welt von Speed Racer ist dieses Muybridge-Zitat eine der zwei bedeutendsten nostalgischen Gesten des Films, eine Art Abschließen des Zirkels des Kinos zurück zum Anfang. Die andere bedeutende nostalgische Geste ist der Umstand, dass Speed Racer überhaupt noch von der Filmkamera abphotographierte menschliche Schauspieler besetzt, wie um zu sagen: Farben-Flackern und das hyperkinetische Wirbeln durch unmögliche Räume kann vielleicht auch ein Anime oder ein Videospiel bieten, aber die magische Erfüllung eines ganzen Saales mit den realen Gesichtern von Menschen wie Susan Sarandon, John Goodman und Christina Ricci (das Gesicht als neurologischer Trigger immer noch mächtiger als jedes Stroboskop) im Licht göttlicher Leinwandübergröße und mystischer Beziehung zum Gemeindekollektiv im dunklen Kinosaal, das konnte nur das Kino.

  Friday May 23, 2008

Ur-Arc von Babylon 5 enthüllt

Kurz in die SciFi-Fernsehserienwelt der 90er Jahre zurück abtauchen, ein Hinweis für mitlesende Fans von Babylon 5 (I know you're there), der Fernsehserie mit der (nicht zuletzt durch zahllose bereits von Anfang an durchgeführte Moral- und Enthüllungsdramaturgien, Vorhersagen/Flash-Forwards und Zeitreiserei zwischen den Staffeln (!)) ambitioniertesten Handlungsbögen-Struktur ever: J. Michael Straczinsky hat einer fünfzehn Bände umfassenden Drehbücherausgabe der Serie einen schicken Vermarktungs-Bonus für die Käufer des Gesamtpakets beigelegt, der jetzt nach langem, langem Warten mit dem letzten Band die ersten Abonnenten eben dieser Bücherserie erreicht hat: Eine Urfassung des Serien-Arcs für fünf Jahre und eine Spin-Off-Serie, auf einem Stand des Zeitpunkts zwischen fertig produziertem Pilotfilm und noch zu produzierender 1. Staffel, wie sie vor zahllosen produktionstechnisch erzwungenen wie sich kreativ anbietenden Änderungen der ursprünglich eigentlich schon ziemlich vollständig von Anfang bis Ende feststehenden Arcs im Produktionsverlauf der Serie mal angedacht waren. In einem Star-Trek-Forum gibt's eine Zusammenfassung in Stichpunkten der wesentlichen, teils enormen Unterschiede. Einhelliger Konsens: Auch wenn manches vielleicht interessant geworden wäre, was am Ende real rauskam, war insgesamt schon irgendwie sehr viel besser und spannender so, selbst in Anbetracht der teils etwas forciert wirkenden Entknotungen, die im letzten Drittel der Serie ein ob Serien-verlassender Darsteller und ungewisser Abschlussstaffelgenehmigung immer wackeligeres Handlungsmonstrum kaum noch zu bewältigen wussten. Zu viele der letztlich aufregenderen Handlungselemente fehlen in dieser Ur-Arc-Skizze. [via de.rec.sf.babylon5.misc, meine alte Usenet-Heimstatt damals in den späten 1990ern :-) ]

  Thursday May 15, 2008

Deutsches Rohmaterial

Eine irgendwie perverse Freude bereiten mir internationale Internet-Meme, die sich aus deutschem Rohmaterial zusammensetzen.

Da wäre zum Beispiel die internationale Memisierung von Oliver Hirschbiegels Führerbunker-Prozession Der Untergang/The Downfall mit Bruno Ganz als Adolf Hitler zu nennen. Zu einem beliebten Video-Mem ist zum Beispiel die inhaltsverfremdende Untertitelung einer bestimmten Szene (die meinen Heimatsortsteil “Karlshorst” erwähnt, was mich stets frohlocken lässt) angewachsen, in der ursprünglich Hitler sich der eigenen Kriegsniederlage mit einem Wutausbruch gegenüber seinen Generälen stellt. Umgedichtet wurde das zum Beispiel auf die Niederlage des HD-DVD-Mediums gegen das Blu-Ray-Medium:

[Hier war mal ein YouTube-Embed, nun ist hier nur noch dieser Link aufs Video.]

Alternative Untertitel-Umdichtungen gibt es für die Spielkonsolen-Industrie, den SuperBowl, Hillary Clinton und viele mehr. Ihnen als Witzstruktur gemein ist, ob nun ein politischer Bezug zum echten Hitler gesucht wird oder auch nicht, eine unschuldige Freude an der Hysterie des Auftritts von Bruno Ganz. Das Neue Kino der Internet-Meme ist ein Kino der verselbständigten Gesten. Der Untergang wird, vorbei an den Sorgen deutscher Feuilletondebatten zu ihm, als Katalog hysterischer Gesten statt als Historie ausgeschlachtet.

Die Memisierung der Gesten eines Deutschen (na gut, genau genommen ist Bruno Ganz ein Schweizer, der einen eingedeutschten Österreicher spielte, nevermind) hat auch Harald Schmidt auf amerikanische Imageboards gebracht:


Quelle: fgsfds.com.

Das Image-Macro-Mem FGSFDS verlangt, ebendiese Buchstabenfolge (die laut Wikipedia (die in Sachen Internet-Meme nicht so die perfekte Informationsquelle ist) als Akronym für “For God’s sake, fuck this shit” oder Ähnliches stehen soll) auf das Bild einer mit ihrem Zeigefinger weisenden Person zu drucken, meist, um Irritation auszudrücken. Aus welchem Grund auch immer scheint sich Harald Schmidt hierbei über verschiedene Vorlagen-Bilder hinweg als meistrepräsentierte Person erwiesen zu haben. Das Internet-Mem-Wiki Encyclopedia Dramatica legt nahe, dass das “FGSFDS”-Macro-Mem sogar mit ihm als Bildvorlage im Dunstkreis der 4chan-Imageboards angefangen habe (der Link offeriert auch ein ganzes Arsenal weiterer “FGSFDS”-Macros).

Bei Memisierungen deutschen Rohmaterials darf die deutsche Popgruppe “Dschinghis Khan” nicht unerwähnt bleiben, deren knapp drei Jahrzehnte alter Hit “Moskau” 2005 (wohl über Japan) seinen Weg sehr erfolgreich in Internet-Mem-Kanäle wie die Website YTMND fand (über YTMND muss ich nochmal separat irgendwann mal etwas mehr schreiben). Ein greller pseudorussischer Tanz-Auftritt zu “Moskau” im deutschen Fernsehen (in der ZDF-Sendung “disco” (?) 1979) wurde dort unzählige Male in animierten Loops, musikalischen Macros, Pseudo-Untertitelungen, Videospiel-Nachstellungen und Mash-Ups mit anderen Memen verarbeitet. Hier eine kleine Auswahl: STAR WARS YODA MOSKAU DANCE, Moskau will eat your soul, Dschinghis DOSkau, Dschinghis Hamster Dance, Moskau + fur, GODZILLA MOSKAU, What is Moskau?, MARIO MOSKAU, Moskau 20XX, Final Fantasy 6 Moskau Dance, Moskau 1066, Free Moskau, Moskau barrel roll, The legend of Moskau, Fonz moskau, Dschinghis Microsoft Sam, Dschinghis Sentai Moskau Rangers, Dschinghis Khan Addresses Congress, Moose/Cow, Moskau Rave, Conan is…Moskau, Moskau Street Fighters!, Will Ferrell Moskau, Moskau 1989, Rocko’s Moskau Life, Even Italians Dance to Moskau, Bill Nye Moskau! (Infolge wurde natürlich nicht nur “Moskau” rezipiert, sondern auch das titelgebende Dschinghis-Khan-Lied “Dschinghis Khan”: Dschinghis KHAAAAN!.)

  Wednesday May 14, 2008

Desktop-Kino als Musikvideo

Als “Desktop-Kino” würde ich ohne große metaphorische Verrenkung die Nutzung der visuellen Eigenheiten eines Computer-Desktops und der ihm üblichen grafischen Benutzeroberflächen und Programmfenster zum Kino-Machen bezeichnen. Die Video-Serie The Scene hat das (cine:plom berichtete/analysierte) recht meisterlich in einem narrativ konservativen Format vorgeführt. Insofern keine große Revolution, wenn man es im dem audiovisuellen Experiment traditionell näherstehenden Format Musikvideo auch versucht:

[Hier war mal ein YouTube-Embed, nun ist hier nur noch dieser Link aufs Video.]

Der schönste Moment ist eigentlich der Kaufaufruf am Schluss, der medialen Spielerei folgend direkt als Anleitungsvorführung integriert.

Via John Brownlee / Boing Boing Gadgets.

  Monday May 12, 2008

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