Notizen zu kulturellen Bespaßungen der Neuzeit von
Christian Heller a.k.a. plomlompom.
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FaF-Sneak-Preview: Free Rainer
BRD 2007, Hans Weingartner, Lauflänge irgendwas zwischen 120 und 139 Minuten
Unangenehm sind betrunkene Verwirrte, denen man nachts auf dem Heimweg in der U-Bahn begegnet und die einem stammelnd ihre umfassende politische Vision einer besseren Welt aufzubrabbeln versuchen. Rührend, welche einfachen Vorstellungen von Gut und Böse man dabei oftmals zu hören bekommt, erheiternd die Abstrusität der Lösungsvorschläge, besorgniserregend ihre naturgemäße Demokratiefeindlichkeit. Ungefähr wie solches Gebrabbel kommt auch Free Rainer auf den Zuschauer zugetorkelt.
Hans Weingartner hat mit Die fetten Jahre sind vorbei das naiv-absurde Weltverbessererguerillakino als Erfolgsmasche entdeckt. Er setzt sie jetzt zielstrebig in Free Rainer fort. Und zwar mit einer Variante von Medien- und Kapitalismuskritik, die die analytische Schärfe einer Bierstammtischmotzerei und das reaktionäre Potential des Hassbegriffes “Volksverdummung” (als Feindbeschreibung des kommerziellen Quotenfernsehens) mit der (sowieso schon tausendmal vereinnahmten) Hipness der Medienguerilla zu einem zielgruppenattraktiven Cocktail vermengt. Die Spitzen, die dabei gegen den Medienbetrieb rauskommen, erreichen noch kaum das kritische Niveau von deutschen Neunziger-Jahre-Medienkomödchen wie Kein Pardon oder Late Show.
Diskursiv ist Free Rainer aber auch so absurd, dass er mit Blödelei und übertriebenen Figurenkarikaturen zuweilen in puncto Unterhaltsamkeit zu überzeugen weiß, ganz unabhängig davon, welcher ideologischen Zielgeraden auch immer das Dargestellte gerade folgen mag. Er erreicht eine Masse an Wahnmomenten, die Weingartners Vorgängerfilm [*] Die fetten Jahre sind vorbei als Schadensbegrenzung gut zu Gesicht gestanden hätte.
Gelobt werden muss hierfür zum Beispiel Milan Peschel, der sowieso jeden Film, in dem er mitspielt, durch seine wie natürlich wirkende Wahnhaftigkeit (quasi als harmloses Knuddelgegenstück von Klaus Kinski) befördert oder gar rettet (Schwarze Schafe, Lenz). Hier ist er zu sehen als Hacker-Verschwörungstheoretiker-Nerd, ein alt gewordener Karl Koch mit lustiger Sozialphobie, der David Icke neben Hackerbibel und Illuminatus!-Bänden im Regal zu stehen hat. (Augen auf in der Szene, wo seine Behausung eingeführt wird — da haben die Setdekorateure ganze Arbeit geleistet!)
Aber auch die Klasse der Bösewichte, genüssliches Aggro-Kokser-Yuppietum, zuerst durch Moritz Bleibtreu vertreten und danach (nach Bleibtreus Wandlung zum langweiligen Guten) noch viel psychotischer, diabolischer und physiognomisch monströser durch Hauptbösewicht Maiwald (Gregor Bloéb, ganz großartig), schafft einige sehr spaßige Momente. Skinhead-Karambolage und Roller-Exit, sagichnur.
So albern Free Rainer auch sein mag: Dass Weingartner mit seinem Weltbild, wie es hier zur Anschaulichkeit gelangt, verglichen zu den fetten Jahren nun stärker ins Klamauk-Fach tritt und den Anteil ernstgemeinten Dramas und Diskutierens zurückdreht (auch wenn es in leidvollen Momenten sich immer mal wieder durchbeißt), kann nur als positive, angemessene Entwicklung gewertet werden. Schadensbegrenzung eben.
[*] Man muss die Werke wirklich miteinander denken, denn Free Rainer besitzt genug strukturelle Ähnlichkeiten zu und Zitate aus Die fetten Jahre, um eine marktträchtige Kontinuität zu diesem herzustellen.
P.S.: Nicht, dass aus dem letzten Satz in Absatz 2 der Eindruck entsteht, ich würde eine abschätzige Meinung über Hape Kerkelings Kein Pardon hegen. Es ist nicht der Fall, dass ich eine abschätzige Meinung über Hape Kerkelings Kein Pardon hege.
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Huhu,
Ich wollte nur mal sagen, dass ich den Blog sehr informativ und spannend finde. Ich hoffe, die Seite bleibt noch lange aktuell und erhalten.
Sebastian
@Sebastian: Danke :-)
Und keine Sorge, soweit ich vorausplane, ist noch kein Dichtmachen der Seite geplant ;)