Notizen zu kulturellen Bespaßungen der Neuzeit von
Christian Heller a.k.a. plomlompom.
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Berlinale 2007 #30: Chrigu
Schweiz 2007, Jan Gassmann, Christian Ziörjen, 87 Minuten
Das ist natürlich—und deshalb erscheint es auch fast billig—beinahe unmöglich, mit dieser Formel keinen erfolgreich publikumszerrüttelnden Dokumentarfilm hinzubekommen: Ein krebskranker junger Mann filmt seine letzten Lebensmonate, bis zum Ende.
Der Vorwurf der Billigkeit prallt freilich größtenteils an dem Umstand ab, dass dieser Film vom wegsterbenden Betroffenen selbst konzipiert (wenn auch nicht fertiggestellt) worden ist und somit die Intention kommerziellen oder reputativen Erfolgs nicht in seiner Motivation eingeschrieben hat (allerdings, nachträglich, ist die Plakatwerbeaktion von Chrigu berlinumfassend, und bei aller guten Zurede, die ich mir gönne, dass dies wie eine auspflanzende weitere Würdigung der toten Hauptfigur verstehbar sei, deren Spitzname und Lächeln nun von jeder Litfaßsäule runterprankt, so wird da wohl gewiss auch ein handfesteres PR-Interesse dahinterstecken, aber warum auch nicht).
Chrigu hat schon vorher gern sich und sein Umfeld gefilmt; es erscheint nur konsequent, seine Chemotherapie, eine nachfolgende Zeit begründeter Hoffnung auf vollständige Genesung, den Rückfall und dann das langsame Sterben in diesen Korpus zu integrieren. Es ist nicht nur ein Film über Leben und Sterben von Chrigu, sondern auch über die allumfassende Selbstdokumentation, Selbstausbilderung, Selbstdefinition von Menschen, die gerne ihr Leben mit ihrer Videokamera festhalten (und derer gibt es genug), nicht nur der Erinnerung wegen, sondern idealerweise um es so in ein Narrativ zu formen, über das subjektive Wahrnehmung, Erfahrung und Lebensideal in eine hochkonzentrierte Form mit Anspruch auf Allgemeinwirkung komprimiert werden können.
Und selten wohl findet sich eine solche Grundlage für besondere Erfahrung, entautomatisierte Wahrnehmung der Welt und philosophische Selbst-Reflektion wie im Angesicht des eigenen Sterbens; was den Antrieb zur Umwandlung in einen Film natürlich über alle Maßen steigert und die Arbeit rechtfertigt, die in dieser Umwandlung liegt, der Kompression und Narrativierung des Archivs kontingenter Lebensvideobilder, das so jemand bald recht unbezwingbar umfangreich im Regal stehen hat, eine Arbeit, die aufzubringen man unter banaleren Umständen (bei aller heimlichen Freude am Gedanken daran) gemeinhin zu unmotiviert wäre.
Unter diesen Voraussetzungen leistet Chrigu solide Arbeit und produziert eine emotional höchst arge Schlagstockanordnung, den Zuschauer über Chrigus Fall in existenzielle Fragen zu sich selbst und seinem Leben zu prügeln. Wenn man drauf Lust hat …
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