Notizen zu kulturellen Bespaßungen der Neuzeit von
Christian Heller a.k.a. plomlompom.
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Berlinale 2007 #4, vorab: Kurz davor ist es passiert
Österreich 2006, Anja Salomonowitz, 90 Minuten
Ganz düsteres paradokumentarisches Kunst-Werk mit hohem Verstörungs-Willen, subjektive Berichte der Opfer von Frauenhandel in Österreich, von der zerschundenen Diplomatenputze bis zur Zwangsprostituierten, vorgetragen jedoch von strukturell-sozial entgegengesetzten Funktionsträgern, der Grenzbeamte (der Überfahrt), die Nachbarin (des Sklavenhalter-Ehemanns), der Bordell-Kellner (der Importprostituierten), die Konsulin (als Chefin der Billigputze), der Taxifahrer (der Zuhälter-Flüchtigen).
Ehrenwerte Ambition, allerdings driftet mein Interesse dann doch zunehmend von der abstrakt verlesenen Situation der gehandelten Frauen zu den ganz konkreten Situationen der gesellschaftsintegrierten Vortragenden ab, denen überaus viel Darstellungsraum für ihr Umfeld und ihre Interaktion mit demselben gelassen wird. Herbeispekulierbar die moralische Intention, ihnen nur deshalb soviel Entfaltungsgelegenheit zu geben, um die Reibungsfläche zum verlesenen Elend der Ausgestoßenen produktiv-nervenaufreibend zu vergrößern (die gesellschaftlich hochgestellte Konsulin, die sich eine Entspannungsmassage gönnt, während sie das Sich-Kaputt-Schinden der Zofe erzählt). Faktisch bewirkt es jedoch, dass die Sphäre der Vortragenden weitaus mehr Realität gewinnt als die schließlich von ihr dominierten Frauenhandels-Schicksale, für die sich der Film eigentlich zu interessieren beansprucht (oder zumindest offiziell zu beanspruchen scheint).
Sieht man von diesem Vorwurf ab, kommt man nicht umhin, Figuren wie etwa dem Bordell-Kellner für sich ein hohes Unterhaltungspotential zuzugestehen, wie er da kifft, sich den Kopf stößt oder Gläser fallen lässt. Und vor allem beeindrucken ganz auf formaler Ebene die Horrorfilmqualitäten, die bedrohliche Voyeurs-Kamera, die das Wohnhaus von außen umschwirrt, die düsteren Klänge, vor allem die zunehmend schauriger werdenden Momente, wenn inmitten einer behutsam eingeführten Pseudo-Realität der gesellschaftlich Integrierten, die als Umfeld auch weiterhin für sich teilnahmslos im Hintergrund so fortwerkeln wird als geschehe nichts (etwa der Chor, der einfach weitersingen wird), eine der Figuren (eine der Chorsängerinnen) plötzlich den Kopf zur und den Blick in die Kamera wendet und (im Eindruck ungefähr der magischen akustischen Suspendierung der Umwelt im ersten Aufeinandertreffen mit dem Mystery Man in Lynchs Lost Highway gleichzusetzen) in Zerschneidung der Wirklichkeitswahrnehmung die Frauenhandelsgeschichte forterzählt; die dann freilich in dieser Rezeptions-Wendung ganz zum (allerdings überaus effizienten) Horrorfilm-MacGuffin zu verfallen droht. Nichtsdestotrotz verbleibt der Film für sich so immer noch ein äußerst aufregendes Werk, und vielleicht gibt er sich ja auch insgeheim damit zufrieden.
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