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Cremaster 1

Cremaster 1
USA 1996, Matthew Barney, 40 Minuten.

Über einem Footballstadion schweben zwei Zeppeline. In diesen zwei Zeppelinen bewachen Stewardessen zwei interessant belegte Tische. Unter den zwei Tischen liegt/hockt eine Frau, Goodyear. Sie spielt mit Erbsen und lenkt so das Geschick von Tänzerinnen auf dem Spielfeld.

Ein heftiger Qualitätssprung gegenüber dem vorhergehenden Cremaster 4, handwerklich wie ästhetisch. Cremaster 1 öffnet einem unterkühlten und zugleich sinnlichen formalen Perfektionismus das Tor, der in den nachfolgenden Teilen 5, 2 und 3 des Cremaster Cycle
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Abgesehen von Spezialausgaben für reiche Kunstsammler gibt es von den Cremaster-Cycle-Filmen insgesamt nur einen Ausschnitt (oder sagen wir besser: Film im Film) des dritten Teiles, Cremaster 3: The Order, auf Kauf-DVD. Der aber auch nicht weniger eigentümlich und seltsam und, imho, beeindruckend ist als der Rest und insofern durchaus repräsentativ. Oder man begnügt sich mit einem angeblich bilderreichen Edelbuch zum gesamten Zyklus: The Cremaster Cycle.
fortdauert und zuweilen recht kubrickianisch daherkommt. Hier entfaltet er anmutig drei Räume, in und zwischen denen die Kamera bedächtig hin und her schwebt:

Der Raum der Zeppelin-Stewardessen wird trotz seiner Doppelung als ein einziger wahrgenommen. Er variiert nur in der Belegung des zentralen Tisches mit verschieden farbigen Früchten und der gespiegelten Ausrichtung der Eierstöcke-oder-wasweißich-Skulptur, die über ihnen thront. Streng dreinblickende, uniformierte Stewardessen lungern gelangweilt um ihn herum, zupfen mal am Tischtuch oder schauen aus den Zeppelinfenstern hinaus. Ein unheimlicher, ungemütlicher Ort in sterilem Weiß, klinischer Kälte, dominiert vom Brummen der Zeppelinmaschinen.

Der Raum unter dem Tisch: Vor den Stewardessen durch das zu allen Seiten herunterreichende Tischtuch verborgen, räkelt sich Goodyear eher schmerzvoll als lasziv um das mittlere Tischbein herum. Trotz ihrer Götz-Alsmann-Gedächtnisfrisur wirkt sie im Gegensatz zu den gegelten Stewardessen-Mannequins humanoid, spontan und verletzlich, wenn sie zum unbemerkten Hereinmogeln von Weintrauben vorsichtig mit ihren Fingern den Tisch penetriert und danach ihr Körper vom Weitwinkelobjektiv unvorteilhaft nah, bis zum plastischen Hervortreten der Adern, von Kopf bis Fuß abgefahren wird. Durch die menschliche Präsenz Goodyears und sanfte musikalische Klänge, hinter denen das Maschinenbrummen zurücktritt, strahlt dieser Raum Geborgenheit aus, eine zerbrechliche allerdings, bedroht durch den anderen Raum jenseits des schützenden Tischtuches.

Unter alledem liegt das Spielfeld, in knalligem Rot und Blau, sinnliche Pracht, erfüllt von voll aufgedrehten Walzerklängen und Busby-Berkeley-Tänzen. Zugleich ist es mentaler Raum von Goodyear, die ihre eigene bildliche und körperliche Präsenz hier hinein träumt und solcherart gar selbst die sie bergenden Zeppeline das Stadion entlang zu ziehen vermag.

Ein Netz aus Spannungen, Einbrüchen und Abhängigkeiten knüpft Barney zwischen diesen drei Räumen: Zwischen dem paradiesischen Ganz-Außerhalb des Stadions, dem repressiven Reich der Stewardessen und dem verborgenen Unterm-Tisch-Freiraum von Goodyear. Mit der Sorge eines Kindes, das zu später Stunde mit Taschenlampe heimlich unter der Bettdecke seine Comics liest, bemüht Goodyear sich, beim Herübergreifen ins Stewardessen-Reich unentdeckt zu bleiben in ihrem Erbsenspiel. Dieses Spiel wiederum steuert nichts Geringeres als die Goodyears Erbsenanordnungen reproduzierenden Choreographien und Geometrien im Stadion, das die beiden Zeppeline in seinen Bann geschlagen hat. Ein sonderbarer Machtkreislauf. Goodyear (passenderweise von einer Marti Domination gespielt) ist zugleich Gefangene und Weltbeherrscherin.

Friday August 25, 2006

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