L'Espoir (Die Hoffnung) /
Sierra de Teruel
André Malraux & Boris Peskine, Spanien/Frankreich 1939 (breit rausgekommen erst 1945), 88 Minuten, imdb.
Mir
L'Espoir anzuschauen, zähle ich als Nebenwirkung meines ständigen Rauf-und-Runter-Konsums von Jean-Luc Godards
Histoire(s) du cinéma letzterzeit für meine
eine Hausarbeit; in Kapitel 3B schwelgt Godard in Erinnerungen übers Verhältnis seiner Cahiers-du-cinéma-&--Nouvelle-Vague-Gang zu Henri Langlois, dem Vater der Cinémathèque Francaise (zu dem im Arsenal übrigens diesen Monat ein vielversprechend sich anhörender Dokumentarfilm läuft:
Citizen Langlois), unter anderem in einer Stelle, die auch mit einem Ausschnitt aus
L'Espoir illustriert ist:
Und der Mann aus der Avenue de Messine schenkte uns diese Vergangenheit in Gegenwart verwandelt. Mitten im Indochina-Krieg, mitten im Algerien-Krieg. Und als er zum ersten Mal 'Die Hoffnung' vorführte, ließ uns nicht der Spanische Bürgerkrieg auffahren, sondern die verwandte Nähe der Metaphern.
Godards hier zitierte "Histoire(s) du cinéma" als schön edle/teure Audio-CD-Box.
Wie so viele Andere -- von George Orwell über Erich Mielke bis Willy Brandt -- beteiligte André Malraux, "französischer Schriftsteller, Abenteurer und Politiker", sich mit Kommunisten, Bürgerlich-Liberalen und Anarchisten beim Spanischen Bürgerkrieg 1936-39 im Kampf gegen die letztlich siegreichen (dank tatkräftiger Unterstützung von Mussolini und diesem Condorlegionen-Hitler, dem wir damit Picassos Guernica zu verdanken haben) faschistischen Usurpatoren Spaniens, bevor er dann 1968 als französischer Kulturminister und Kumpel von de Gaulle eben jenen oben umschwärmten Henri Langlois aus der Cinémathèque chassen wollte, was zu tollen Protesten seitens Truffaut, Godard etc.pp. im Verbund mit Daniel-Cohn Bendit usw. und Abbruch von Cannes und so führte. Aber zurück zum Film.
Der schildert die Ereignisse im Kampf um Teruel aus Sicht der Guten (= Antifaschisten) und wohl nicht unwesentlich beeinflusst von Malraux' eigenen Erfahrungen als Fliegerkommandant im Bürgerkrieg. Die Armee der Guten ist materiell hoffnungslos unterversorgt; alles muss improvisiert werden, für eine Handvoll Autos muss man selbst als General nächtlich von Dorf zu Dorf betteln gehen, Munition wird sorgsam eingeteilt, Bomben usw. werden aus bäuerlichen Haushaltsgegenständen zusammengezimmert, abgeschossene Flieger stückchenweise wiederverwendet. Was den Guten an Kriegsspielzeug fehlt, machen sie (natürlich) mit Heldenmut wieder wett, und das nicht mal ganz so arg erlogen, wie es das bei einer völkisch-vaterländischen Verteidigungsschlacht wäre: Denn tatsächlich war man auf dieser Seite damals eifriger Überzeugungstäter, in Form der Internationalen Brigaden völlig freiwillig privat aus dem Ausland angereist, um den Faschisten allgemein zu zeigen, wo der Hammer hängt. (Es gibt da Anekdoten, wonach beispielsweise italienische Antifaschisten einen netten kleinen Privatbürgerkrieg mit den italienischen Truppen führten, die Mussolini zur Unterstützung der spanischen Faschisten entstandt hatte.)
Sieht jedenfalls alles bereits nach Partisanenkampf anstatt der Wehr einer Republikanischen Armee gegen einen Aufstand (der Faschisten) aus; der Kriegsdarstellung wird einiges subversives Potential entlockt, da die Kämpfe mehr wie die Untergrabung eines bereits etablierten faschistoiden Apparates durch allein über Solidarität, aber keine straffe Organisation zusammen gehaltene Individuen wirken (auch wenn manche von ihnen die Uniform der Republikanischen Armee tragen), die nebenbei auch noch macgyveresk vorführen, wie man mit Alltagsgegenständen größten Schaden anrichten kann.
L'Espoir ist alles andere als formal glatt: Offenkundig überaus billig produziert (nein, man hätte damals gewiss zu so einem Film kein großes Filmstudio verführen können, er ist eine reine Überzeugungstat), wirkt manches handwerklich grobschlächtig, diverse Spezialeffekte (entweder merkwürdig montierte Archivaufnahmen oder brennende Pappflugzeuge, die wackelnd an Schnüren hängen wie die UFOs bei Ed Wood) sogar lächerlich. Aber das stört nicht weiter. Der rohe Schliff erlaubt die Wahrnehmung etwa der Actionszenen als halbdokumentarischer Nachstellung des wohl tatsächlich von Malraux' Erfahrenen, gerät nicht ins Ästhetisch-Ausgefeilt-Wohldosierte,
Malraux' literarisches Gegenstück zum Film.
sondern wirkt wie ein skizzenhafter Ausbildungsfilm für etwas, das man durchaus ebenso erleben könnte. Zugleich nimmt die formale Rohheit den wenigen kurzschmerzlosen Todespoesie-Momenten (Malraux oder Peskine neigt dazu, in Todesmomenten die Kamera wirr wackelnd in den Himmel zu ziehen, wo dann zufällig immer gerade ganz flink ein paar Vogelschwärme vorbeihuschen) die Prätentiosität (gibt es dieses Wort?), mit denen sie sich bei glanzvollerer Präsentation ausgekotzt hätten.
Ähnliches gilt für die übrigen spärlichen Momente des Pathos. Malraux/Peskine scheint es mehr darauf anzukommen, aus ihren eigenen Erfahrungen (weshalb der Film moralisch und ideologisch erfreulich brüchig und unklar bleibt) der Welt ein aufrüttelndes Bild der spanischen Situation herauszuarbeiten, als ein "Guckt mal, was für virtuose Filmemacher wir sind!" Was dann doch noch übrig bleibt, erweckt den Eindruck, aus ehrlicher Leidenschaft zu kommen, eher gefühlt als kalkuliert eingesetzt zu sein -- von Menschen, die, da sie das Geschehen miterlebt haben, es wohl nicht künstlerisch zu verraten imstande wären.
Andererseits: Die grandiose Solidaritätspathos-Szene am Schluss, als die verwundeten Kämpfer aus Frankreich, Deutschland, Belgien, Afrika usw. von einer gewaltigen, die Fäuste zum Gruße erhebenden Volksprozession den Berg runtergetragen werden, verrät wenig etwa von den stalinistischen Säuberungen, die auch in Spanien unter den 'Guten'
stattfanden. Muss sie aber auch nicht.
Monday April 3, 2006
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Kommentare
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Warum wollte Malraux Langlois entlassen?
Gute Frage.
Dann beantworte sie!
Uhu: Man hat wohl behauptet, Langlois würde schlecht wirtschaften.