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2x politische Passivität im Film & 1 propagandistischer Gegenentwurf

1. Plapperndes Automobil bemitleidet deutsche Opfer: In jenen Tagen

In der zentralen Szene dieses Films erlebt ein Paar die Nacht des Reichstag-Brandes in seinem Auto, eingekeilt von der erregten Masse, zur Bewegungslosigkeit verdammt, zum Zuschauen ohne Möglichkeit zur Reaktion: ein Bild, in dem der Zuschauer damals selbst sich gespiegelt findet.

(”Westdeutscher Nachkriegsfilm“, Fritz Göttler, in: Geschichte des deutschen Films. Mit 330 Abbildungen (Amazon.de-Kauflink), Hrsg. v. Wolfgang Jacobsen, Anton Kaes und Hans Helmut Prinzler)

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Zuerst im Arsenal heute geschaut: “In jenen Tagen“ (1947), Nachkriegsfilm von Helmut Käutner; ein zerdeppertes Automobil bzw. Käutner erzählt in eloquenter Sprache und aufreizend melodramatischen Bildern einem desillusionierten Trümmermann – der sich zur Äußerung hinreißen lässt, es gebe in diesem Land keine Menschen mehr und habe sie auch in den letzten zwölf Jahren nicht gegeben – was für sehr wohl menschliche Menschen seine, also des Automobiles, früheren Besitzer gewesen seien.

So führt der Film dann vor: Klein- und Großbürger haarsträubender politischer Naivität, im Januar ’33 noch unfähig, sich überhaupt der Namen der neuen Machthaber zu entsinnen, ’35 beim Picknick schockiert-entsetzt darüber, dass einem Zwölftöner das Komponieren verboten sei, ’38 zur Reichskristallnacht selbst als halbjüdisches Ehepaar noch absolut überrascht, dass plötzlich irgendwie sowas wie Antisemitismus in Staat und Gesellschaft aufzukommen scheine. Der gute deutsche Privatmann wird in seinem aufrechten Leben plötzlich und unerwartet von einem Grauen gestört, das aus irgendwelchen dubiosen, ihm völlig entfernt gelegenen politischen Sphären zu stammen scheint, von denen er doch eigentlich immer nur so im Vorbeigehen mal was mitbekam.

Dann kommt der Krieg, und in zwei von dessen Episoden blinkt so etwas wie Widerstand auf, allerdings immer nur am Rand in Form von Nebenfiguren, die indirekt durch ihr nicht näher spezifiziertes (“wir kämpfen für die Freiheit” ist, neben einer Erwähnung des 20. Juli, das Tiefstgehende) Treiben das Leid der Hauptfiguren / Sympathieträger verschulden: dass eine junge Frau die Mutter eines vom 20. Juli aufs Land zu transportieren sucht, wird ihnen beiden zum Verhängnis; und eine Ehefrau, die sich ob des plötzlichen Verschwindens ihres Mannes sorgt, erfährt von ihrer Schwester nicht nur, dass dieser genau wie sie (die Schwester) Widerständler gewesen sei, sondern auch noch, dass sie, also die Widerständler-Schwester, seitdem mit dem Ehemann rummache – pathetisch opfert dann aber trotzdem die Ehefrau aus Liebe zu ihrer Widerständler-Schwester (die, also letztere, der Film durch ihre wenig souveräne Art und den moralischen Makel des Rummachens mit dem Gatten gegenüber der Ehefrau erniedrigt) für deren Flucht ihr Leben.

Ein nennenswertes Plädoyer für die Widerständler lässt sich aus all dem jedenfalls nicht rausschälen, viel mehr sind es nur weitere Aufhänger dafür, deutsche Reichsbürger als passive Opfer ihnen unzugänglicher politischer Verhältnisse zu schildern (anstatt etwa mittels einer genaueren Darstellung des Widerstands es zu wagen, dem Bürger-Zuschauer soetwas wie eine Fähigkeit zum aktiven Handeln gegenüber den ihn umgebenden Verhältnissen zuzusprechen).

Dann gibt’s noch eine Episode über das grausame Sein an der russischen Front mitsamt ersten Kriegszweifeln, sowie eine unvermeidliche über die Ostvertriebenen, bevor der Film mit einem rührseligen Schlusswort endet, dass die (apolitische) Menschlichkeit erhalten bleibe, auch im Kampf mit den Zeiten (= der historisch-politischen Sphäre).

2. Lee Ermey ausgeliefert: Winter Soldier

Im Geiste noch rasch hinzugefügt, den Arsenal-Besuch zwei Tage zuvor: “Winter Soldier“ (1972), in dem in Aussagen und Interviews amerikanische Vietnamkriegsveteranen von den Kriegsverbrechen berichten, deren Zeuge oder Teilnehmer sie waren. Ein verstörender Film, der wirkungsvoll seine Ketten grobkörniger schwarzweißer Interviewaufnahmen spärlich mit glasklaren, farbigen Archiv-Aufnahmen einiger der benannten Greuel unterbricht.

Der Film räumt den Veteranen besonders viel Platz dafür ein, darüber zu sprechen, wie sie dazu gekommen seien, sich an den Verbrechen zu beteiligen. Umfassend wird psychologisiert, werden Wurzeln in Rassismus und Dehumanisierung als Resultat der politischen Propaganda und der militärischen Ausbildung gesucht. Und obgleich sie ihre eigenen Taten für unentschuldbar falsch, für nicht zu rechtfertigen halten, lässt sich vieles des Geäußerten nur so fortdenken, dass der Mensch an sich als Wesen nunmal dumm sei und charakterlich unfähig, sich einer Bootcamp-Verformung zu entziehen, die aus ihm ein folterndes, vergewaltigendes, mordendes Monster machen wolle.

Dieses Fortgedachte, dieser Gedanke von der passiven Hilflosigkeit des Einzelnen gegenüber dem politischen Druck von außen, der sich dem Käutner-Film annähert, steht allerdings im Widerspruch zum anderen Thema des Films: der Notwendigkeit, durch politischen Druck von Medien und Straße den Vietnam-Krieg zu beenden (der ja noch bis 1975 im Gange sein sollte), was mit dem Zeigen von Diskussionen über Ausrichtung und Motive und der abschließenden Demonstration ausgiebig Darstellungsraum einfährt. Besonders spannend sind hierbei Szenen, in denen nicht-Weiße Mitdiskutanten die Veteranen dazu zu bringen suchen, das Ganze in einem größeren historischen und gesellschaftlichen Kontext von amerikanischem Rassismus zu betrachten, und somit nicht nur die Notwendigkeit eines Sturmes auf die Strukturen des militärischen Apparates, sondern auf das System an sich anzuerkennen.

Doch wie soll man ein System stürzen, wenn man, wie vorgeführt, als selbst denkendes Wesen nicht fähig ist, sich psychologisch dem Verformungs-Druck dieses Systems zu entziehen?

3. Sozialistische Aufklärung: Berlin – Ecke Schönhauser

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Und direkt nach dem Käutner angeschaut, ein krasser Kontrast zu diesem: Gerhard Kleins “Berlin – Ecke Schönhauser“ (1957), ein DEFA-Streifen über die Integration eines jugendlichen Halbstarken in das sozialistische Projekt, der natürlich arge DDR-Propaganda ist, allerdings gegenüber dem Käutner eine echte Erholung war.

Verglichen zum Käutner kommt hier alles politisch daher, allen voran auch die persönliche, private Lebensführung, die bei Käutner völlig apolitisch ist. Wie das eigene Lebenswohl fällt, hängt von den eigenen politischen Entscheidungen ab. Der Sozialismus ist das Christentum, entweder man entscheidet sich fürs sozialistische Leben und wird dadurch mit einer Aussicht auf das Paradies belohnt, oder man erliegt kurzfristig den sinnlichen Verlockungen der kapitalistischen Glitzerwelt, um dafür mit den Leiden der Hölle bestraft zu werden; doch auch ein Sünder kann reuevoll zurückkehren (genauer gesagt, er flüchtet aus einem äußerst unwohnlich dargestellten westdeutschen Lager für DDR-Flüchtlinge zurück in den Prenzlauer Berg) und wird dann willig wieder in die Kirche aufgenommen.

Man merkt im Vergleich dem Film an: Das hier ist ein ganz anderer politischer Entwurf des Narrativen. Da er nicht der nachträglichen Entschuldigung des Vergangenen dient, wie bei Käutner, sondern zumindest ideell der Wegbereitung einer Zukunft, will er dem Zuschauer viel mehr das Gefühl geben, als Bürger das Vermögen (ja sogar die Pflicht, der Rückzeug ins rein Private wird geradezu verdammt) zum aktiven politischen Handeln und Entscheiden in sich zu tragen (auch wenn er dabei teils ziemlich widerlich auf das Richtigsein seiner Richtung pocht, für die der aktiv entscheidende Bürger sich doch dann bitte zu entscheiden habe). Er gibt ihm sogar einige Freiheit des Rezipierens und Reflektierens, durch seine nicht allzu disziplinierte Erzählweise und Ästhetik, oder wenn er oberflächliche Kritik an der FDJ formuliert, deren Es-gut-meinen mit dem Sorgenkind er in einem Dialog als getrübt bezeichnet durch mangelnde FDJ-Bereitschaft des Zuhörens gegenüber den Rabauken.

Die Figuren wirken nicht mehr ihren Verhältnissen hilflos ausgeliefert, sondern für ihr Handeln verantwortlich, auch für Mist, den sie bauen (und für den sie dann auch die Konsequenzen tragen). Es ist amüsant, dass hiermit dieser DDR-Propaganda-Streifen jenem bürgerlichen (im Grunde von der Aufklärung und der Herausführung aus der Unmündigkeit mitformulierten) Erzählungsmodell, das den Protagonisten und nicht die sozialen/politischen Verhältnisse zur treibenden Figur der Handlung macht, weitaus näher steht, als es der westdeutsche Käutner-Film mit seinen Opfer-Figuren tut, denen die Handlung eben unfallartig und unbeeinflussbar ‘passiert’, wo letzterer doch eigentlich viel tiefer im Schlamm des Bürgertums steckt. Das muss wohl am spezifischen deutschen Misserfolg von Aufklärung und Bürgeridee liegen.

Tuesday October 11, 2005

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Kommentare

  1. Lukas / 13. October 2005, 01:19 Uhr Nur zu Winter Soldier:
    Was wäre denn die Alternative gewesen? Die Strukturen der amerikanischen Armee (und jeder anderen) sind ja in der Tat darauf ausgerichtet, Menschen zu Mördern zu machen (oder meinetwegen potentielle Mörder zu tatsächlichen). In einer Situation, in der es darum geht, einen Krieg zu beenden, müssen diese Strukturen dann doch auch aufgedeckt werden. Und genau dies macht der Film. Warum soll das kontraproduktiv sein? In diesem konkreten Fall schon gleich gar nicht, weil die Winter Soldier Untersuchung insgesamt meines Wissens recht öffentlichkeitswirksam und ihrem erklärten Ziel durchaus dienlich war. Nebenbei, was hätten die Veteranen denn sonst sagen / tun sollen?
    Abgesehen davon zeigen ja gerade die Diskussionen mit den Nichtweissen, wie weit es mit der Entscheidungsfreiheit des Einzelnen in der Praxis tatsächlich her ist.
  2. Christian / 13. October 2005, 16:45 Uhr Lukas: Ich finde es gar nicht direkt kontraproduktiv. Aber es drückt, finde ich, so ein “Der Mensch trägt eben nicht in sich aus sich heraus das Potential zur Selbstbestimmung und Gegenwehr gegen die äußeren Strukturen” aus, das in seiner Hilflosigkeit im Widerspruch steht zu einem Aufruf, diese äußeren Strukturen umzuwerfen. Das ist ein sehr abstrakter Widerspruch, der auch eher in der Situation selbst begründet liegt als in dem Film. Und der vielleicht auch allgemein auftreten muss, wenn man versucht, ein aktives positives Handeln durch die mediale Vermittlung negativer Zustände herbeizuführen.

    Nichtsdestotrotz halte ich “Winter Soldier” für einen sehr kraftvollen Film, der aber wohl leider laut Wikipedia wenig zum damaligen öffentlichen Diskurs beigetragen haben dürfte:

    “Due to the controversial nature of the subject matter about an ongoing war, it got little distribution and support at that time and had been archived by its creators, collectively called the Winterfilm Collective. In September, 2005, it was re-released across the U.S. in small art house theatres.”

    Dafür wird ja der damaligen Fernsehberichterstattung immer gern zugeschrieben, die Unterstützung des Krieges auf amerikanischem Boden erfolgreich demontiert zu haben. Hmm.

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