Notizen zu kulturellen Bespaßungen der Neuzeit von
Christian Heller a.k.a. plomlompom.
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Un condamné à mort s’est échappé / Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen
Frankreich 1956, Robert Bresson, 99 Minuten.
Gelegenheiten für Drama und veräußerlichte Affekte werden links liegen gelassen. Gewalttaten gegen den Protagonisten werden in Bild und Ton weggeblendet, lediglich in ihren Ankündigungen oder ihren Folgen gezeigt. Momente seiner Verzweiflung, seines Weinens, werden allein im Voice Over als solche bezeichnet, nicht jedoch in seiner ausdruckslosen Mimik oder durch diegetisches Hörbares. Erschießungen finden nur in der Ferne über die Tonspur statt, ein Mord an einem Soldaten wird von Umgebungsgeräuschen übertönt und außerhalb der Kadrierung plaziert.
Karge Räume werden immerfort in gleichen Perspektiven und Bildausschnitten gezeigt. Sich wiederholende Abläufe. Abwechslung in den Detailaufnahmen kleiner Manipulationen, Zusteckereien, Versteckereien und Basteleien unter den Gefangenen. Akribische visuelle und akustische Darstellung und Voice-Over-Beschreibung der (fern ihres Zweckes genutzten) Gegenstände und Materialien, der manuellen Techniken, Konstruktionen – und auch der notwendigen Unauffälligkeitsstrategien.
Eine hohe Verallgemeinerung der Handlung, durch die Einfachheit der Mise-en-scène und die hohe Verlagerung des filmischen Interesses auf das technische Wie der Situation anstatt ihr Warum; trotz der Uniformen der Wächter und einiger weniger plakativer Wort-Bezugnahmen auf die historische Situation.
Kein alleiniges Heilsversprechen für schlaues, weises oder gar moralisches Handeln. Die Guten und Hilfreichen sterben genauso wie alle Anderen auch. Zugleich bringt das unvorsichtige Vertrauen in einen möglichen Nazi-Spitzel kein Unheil. Notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen für die Flucht: peinliche Sorgfalt, zögerliche Vorsicht, Stunden wie Monate des Geduldens und Wartens. Ebenfalls eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung: viel, viel Glück.
Scheitern würde die Flucht durch das Eintreten unzähliger Zufallsgefahren, deren Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit ständig als Drohung über allem liegt. Spannung durch das Verharren in ereignislosen Einstellungen, die die grauenvolle Frage aufwerfen, ob dieses Verharren eine nahende Gefahr ankündige; Spannung auch durch die starke Betonung kleinster Geräusche der Vorbereitung und Flucht vor einem ansonsten nahezu stillen Hintergrund: Soll es die Hörbarkeit gegenüber den Wachen oder gar deren Herannahen verdeutlichen? Werden durch die Hervorhebung der Knirschgeräusche eines Seiles und seines Hakens die Mängel in ihrer Haltekraft offenbar gemacht?
Die nervenaufreibendsten Szenen des Films liegen gerade in den Momenten der Wiederholens, Wartens und Zögerns. Er bezieht seine Qualität aus der Reduktion und Selektion seiner Elemente. Auch in der Musik deutlich: Ein Mozart-Motiv, das nur an zwei oder drei Höhepunkten des Films die Stille unterbricht, dann allerdings inmitten hoher Konzentration und in großer Kraft.
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