Sneak-Preview:
Schwere Jungs
BRD 2007, Marcus H. Rosenmüller, 94 Minuten
Am Anfang glaube ich, eine weitere Iteration von
Das Wunder von Bern erwarte mich: Da deutet sich scheinbar Historienpathos- und Nationalidentitäts- und Sportdrama-Ballast in einem an, schon allein die Jahreseinblendung "1936" und die teuer ausschauenden Glanzbilder von (sport-)spielenden Kindern, bald auch ein paar von ihnen mit Nazi- statt nur den Olympiade-Armbändern, ich fürchte schon, irgendwann kommt bestimmt der gleichaltrige Dorfjude zum Mitspielen reingeschneit, um an ihm etwas kollektive Unschuld abzuarbeiten, aber stattdessen vollzieht sich ein Zeitsprung: "16 Jahre später" und "Nach einer wahren Begebenheit", und der Fokus scheint sich jetzt, erst recht
Bern-kompatibel, auf die frühen Fünfziger Jahre zu richten, diesmal nur nicht Ruhrpott, sondern halt Garmisch-Partenkirchen.
Und hier sieht dann doch alles sehr wohl ganz anders aus als im dreckigen Nachkriegsruhrpott des
Wunders von Bern mit seinen ausgemergelten Wehrmachtkriegsheimkehrern aus der russischen Gefangenschaft, hier sitzen wohlgenährte Bayern und trinken Bier und haben zwar auch ihre Problemchen, doch die spielen sich ganz auf dörflicher Ebene in Form rein interpersonaler Konflikte ab. Hier ist kein historisch-makrokosmisches Problem, nur persönlich-mikrokosmisches ohne Anspruch auf allgemeine Bedeutung. Der Junge, der damals im dörflichen Sportspiel, im Bobfahren, unsere Helden schlug, soll nun Deutschland (und viel mehr noch: das Dorf) bei der Olympiade in Oslo im Bob-Fahren vertreten, und unsere Helden wollen die damalige Schmach nicht auf sich sitzen lassen und also gegen ihn antreten.
Was folgt, ist mehr Komödie als Sportlerdrama, und bleibt ganz im Biersaufen, derbem Humor und ziemlich ununtertiteltem (und dabei dennoch, wie mir versichert wurde, zurückgenommenem) Rumbaiern verhaftet, ohne je auch nur
Volkstums- bzw.
Urigkeits-Schwere zu erleiden. Dafür ist es zu offen artifiziell und selbstgenügsam in seinen sauberen, schönen Bildern, der Flachheit seiner Gegenstände, die auf nichts weiter verweisen als auf ihre eigene Rolle in einem Unterhaltungs-Narrativ, in seiner Hinnahme des
Wunders von Bern als Stifter spezifischer Genre-Formen, die man nun ganz befreit vom ursprünglichen verkniffenen Aussage-Anspruch einfach für Spaß-pour-l'Spaß exploitieren könne.
Als es dann nach Oslo geht und das historische Olympische Dorf prachtvoll da steht, tut es das folgerichtig ganz als unverhohlen künstliche postmoderne Bildoberflächen-Nostalgie für sich, ohne jeden Anspruch auf Geschichtlichkeit. Hier wird einfach nur ein Film erzählt, der Freude, nicht Geschichte, die Bedeutung machen soll.
Und unsere Helden sind auch nicht in Oslo, um Deutschland zu repräsentieren. Sie sind nach wie vor in Oslo, um ihren alten Gegner aus dem Dorf, der passenderweise "Dorfler" heißt, zu schlagen. Und in zweiter Linie dann, als das erledigt ist, um in einem freilich sehr wohl ideologischen Hohelied auf den grabenüberwindenden Schulterschluss zwischen den Klassen (der Dorfler steht oben, der Ensemble-Held unten, aber für den higher cause verbünden sie sich am Ende) ihr Dorf, d.h. ihr persönliches Umfeld
Der Schwere-Jungs-Soundtrack.
und kein abstraktes Größeres, durch gemeinsamen Sieg stolz zu machen. Aber Deutschland? Deutschland wird repräsentiert von Delegationsleiter Horst Krause (der, wenn mich mein Gehör nicht täuscht, den bösen Kapitalisten-Boss-Dino aus den "Dinos" gesprochen haben dürfte), der niemand Geringeren als Bastian Pastewka damit beauftragt, die angereisten bayerischen Bob-Fahrer auf eine respektable Repräsentation Deutschlands in Oslo einzuschwören, was natürlich sowohl von Film als auch vom anwesenden Sneak-Publikum nur als Witz über Nationalidentitätskonstruktion verstanden wird. Das Deutschland-Bild, das im Folgenden für Pastewka sich über die beiden Mannschaften konstruiert, definiert sich durchaus emanzipativ über homosexuelle Orgien und Pornoheftschwarzhandel, während man in den Mannschaften selbst beschließt, "für Deutschland" international Freibier auszugeben und sich ausgiebig den Bauch vollzuschlagen (sich vorher umfassend schwer zu fressen erlangt gegen Ende eine bedeutende Rolle für den olympischen Sieg der 'deutschen' Bob-Fahrer-Mannschaft und wird äußerst 'pflichtbewusst' ausgeführt).
Schwere Jungs ist ganz artifizialitätsbewusstes Genre-Spaß-Kino hoher Könnerschaft, ohne Anspruch auf Bedeutung und Wahrhaftigkeit, was wunderschön ist. Eine Lieblingsszene möchte ich noch erwähnen: Dorflers vergebliches Bemühen, eine noir-gerechte einsame Zigarettenraucherei in nächtlicher Kälte vor einer Hauswand durchzuführen. Die Szene wird korrekt einstilisiert, doch ständig kommt ihm slapstickhaft etwas dazwischen gestolpert, bis er schließlich die Mühe ums Genre-Bild aufgibt. So macht Formbewusstsein Spaß.
Thursday January 18, 2007
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(hier war mal AdSense-Werbung, heute aber nicht mehr)
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