The Wind That Shakes the Barley
EU 2006, Ken Loach, 127 Minuten.
Bemerkenswert plumpes völkisches "Freiheitskämpfer"-Drama über den Anglo-Irischen Unabhängigkeitskrieg 1919-1921. Rollenverteilung eindeutig: Die Briten sind die Nazi-Usurpatoren einer kleinen heldenhaften, kulturell überlegenen Nation: Irlands; Churchills SS zeichnet sich durch vulgäres Brüllen, Schlagen, Treten, Foltern, Morden, Brandschatzen im besetzten Land und sonst nichts aus. Der Ire dagegen lässt sich in seiner Identität nicht demütigen und notfalls lieber totschlagen, als den Besatzern auf Englisch statt auf Gälisch auf Fragen zu antworten; man kann den Iren foltern, man kann ihn einsperren, das Heimat-Bewusstsein über das Singen gälischer Volkslieder in majestätischer patriotischer Landschaftskulisse lässt sich nicht ausrotten; ein IRA-Soldat verrät auch nichts, wenn man ihm die Fingernägel rauszieht, eine irische Jungfrau verliert ihren Stolz auch nicht, wenn britische Söldner sie skalpieren.
Noch zwielichtiger als der britische Ork (der zumindest in einer kurzen, erstaunlichen Szene von wenigen Sekunden in seiner Orkhaftigkeit dadurch gerechtfertigt wird, der Erste Weltkrieg habe ihn, der nicht die Standfestigkeit des Iren besitze, wohl einfach verroht) natürlich der Upper-Class-Kollaborateur, der Vaterlandsverräter, Sir John, der lieber mit den Besatzern in seinem herrschaftlichen Anwesen Tee trinkt, als das urige Volk in seinem Streben nach einem unabhängigen nationalen Sozialismus der Dörfler und Proletarier zu unterstützen; er darf den ganzen völkischen Hass auf Zivilisation und Kapitalismus in sich zusammenführen und kriegt natürlich eine ordentliche Hinrichtung. Positiv gemeinte Gegenfigur: Der britische Soldat, der auf die Seite der IRA wechselt, weil er irisches Blut väterlicherseits in sich entdeckt. Blut ist stärker als Uniform!
Doch oh weh, nach dem tapferen Freiheitskampf kommt die abstrakte Ebene der Politik ins Spiel und handelt kompromisslerisch einen hinterhältigen Friedensvertrag aus, der die einstigen Kämpfer gemeinsamer Sache ideologisch spaltet: Die einen für einen revolutionären nationalen Sozialismus ganz Irlands, die anderen für großteilige Selbstverwaltung als Teil des Britischen Empire. Bald schon schießt Bruder auf Bruder. "Warum müsst ihr immer die Ideologie über die Republik stellen?" fragt eine Frau die Männer. (Es gibt früher bereits, in der Gerichtsszene gegen den waffenliefernden Wucherer, eine Ankündigung ideologischen Konflikts zwischen einem weiblichen Zivil-Sozialismus und männlichem Guerilla-Militarismus, der geschlechterneutralisiert nach dem Friedensvertrag sich fortgeführt findet.)
Das Drehbuch kann man auch kaufen!
Ideologie, damit ist hier in erster Linie die politische Abstraktion fort von einem rein völkisch-vaterländisch begriffenen Konflikt gemeint; folgerichtig ist Ideologie die Tragödie, die ehrenwerte patriotische Ambitionen pervertiert und im Blutbad enden lässt.
Was hat sich Ken Loach da nur gedacht? Waren seine Filme schon immer so schlimm? Hab ich irgendeine entschuldigende Reflektions-Ebene übersehen? Wobei, nein; dass der Abspann auch wieder mit pathosgeladener gälischer Volksmusik untermalt ist, wirkt schon recht eindeutig. Oder ist das Ganze vielleicht gar hoch-reflektiertes Meta-Kino auf der Fake-Propagandafilm-Ebene von Verhoevens "Starship Troopers"? Ich fürchte, nein. Wäre man böswillig, man könnte eher gewollte Bezüglichkeiten auf z.B. den Irak-Krieg herstellen. Rückinterpretiert gäbe dieses Machwerk dann eine schöne Analysehilfe für ein spezifisches linkes Bild derartiger Konflikte, das schaudern macht.
"The Wind That Shakes The Barley" kommt am 28. Dezember in die deutschen Kinos.
Thursday December 7, 2006
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Kommentare
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Loach war ja schon immer Überzeugungstäter. Manchmal ging das gut, oft kommen eben auch einfach nur Pamphlete dabei herum. Die Assoziationen zum Irakkrieg sind Loach zufolge offenbar intendiert, was die Sauce natürlich nur noch versalzener macht.