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Hausarbeit The Scene / Digitalität

Dies ist eine bloggifizierte Text-Fassung einer Hausarbeit, die mancher vielleicht lieber in der PDF-Druckversion liest.

Freie Universität Berlin
Seminar für Filmwissenschaft
Institut für Theaterwissenschaft

Christian Heller
Die Internet-Serie "The Scene" als ein Beispiel für Filmform in der Sphäre der Digitalität.

Hausarbeit
Aufbaumodul Filmgeschichte: Proseminar "Postklassisches Kino" bei Simon Rothöhler
Wintersemester 2005/06


Einleitung

Die Sphäre der Digitalität, die über Computertechnologie und Internet unsere Kultur zu assimilieren sich anschickt, wird von D.N. Rodowick in "An Uncertain Utopia -- Digital Culture"[1] beschrieben als ein Ort der "desubstantialization" von Medien und Räumen: Bild, Text, Klang wandeln sich unterschiedslos zu Binärcode; Werke werden, frei von materiellen Hürden, verlustfrei vermehrbar, verformbar, ineinander verschaltbar. Texte und Diskurse werden solcherart multimedialisierbar und audiovisuell, aber auch interaktiv. Zugleich stellen sie in dieser Form ein virtuelles Umfeld, das in der global vernetzten Kultur der Digitalität die physische Umwelt als Raum von Kommunikation und als Maßstab unserer geistigen Geographie der Welt zunehmend ersetzt.

Ein Bild, das, so finde ich, glaubwürdig skizziert, was Digitalität grundlegend ausmacht. Jedoch will ich ihm ein tatsächliches Werk entgegen stellen: die seit 2004 fürs Internet produzierte Video-Serie "The Scene", die auf den ersten Blick besonders tief in ihrem ganzen Wesen in die Digitalität einzutreten scheint, von ihrer Form über ihren Vertrieb bis zum Inhalt: Sie handelt von einer engen Gruppe global verstreuter Menschen, die in virtueller Team-Arbeit -- im Konkurrenzdruck mit anderen, ähnlichen Gruppen und zugleich unter ständiger Verfolgung durch das FBI - -- aktuelle Kinofilme ins Internet einschleust und so jener hermetischen "Szene" angehört, aus der sich der Großteil der online im Umlauf befindlichen "Raubkopien" weltweit speist. Ihre Handlung präsentiert die Serie dabei fast ausschließlich über die Vorgänge auf dem Desktop bzw. der grafischen Benutzeroberfläche oder GUI[2] der Computer der Protagonisten, die hierüber im Netz sich umtreiben.


Die Digitalisierung von Kultur und Medien ist ein gewaltiger Prozess, der noch längst nicht abgeschlossen ist und in unerhörter Geschwindigkeit immer neue Veränderungen mit sich bringt. Ein umfassendes Bild von ihm wird sich anhand eines Einzelwerkes wie "The Scene" gewiss nicht zeichnen lassen. Aber zumindest eine höchst selektive Zustandsbeschreibung über das Verhalten eines bestimmten Beispieles für das Medium Film in einem beinahe allumfassend digitalisierten Kontext will ich versuchen. Möglicherweise werden sich hieraus Besonderheiten, Potentiale oder Probleme des Mediums in der Digitalität erkennen lassen, aus denen eine Notwendigkeit folgt, neue Ansätze für einen der Digitalität angemesseneren theoretischen oder analytischen Umgang mit der zukünftigen Filmform und ihrer Ökonomie zu entwickeln bzw. alte Ansätze zu relativieren.

Zuerst möchte ich grob die Sphäre der Digitalität als kulturellen, ideologischen und ökonomischen Entstehungsraum von "The Scene" betrachten. Insbesondre interessiert mich hierbei, wie die Macher von "The Scene" das Internet und eine Internet-Kultur, die aus der Digitalität eigene Wirtschaftskonzepte herleitet, als Wirtschaftsraum für die filmische Form zu erschließen suchen und sich dies in der Form und Verbreitung von "The Scene" niederschlägt.

Danach will ich die auf einer Kultur der Digitalität und ihr spezifischer Anschau-Arten aufbauende Film-Ästhetik von "The Scene" auf ihre Besonderheiten untersuchen. Insbesondre will ich hierbei versuchen, Ansätze, die Bolter/Grusin[3] mit dem gegensätzlichen Begriffspaar "immediacy" und "hypermediacy" für eine Untersuchung digitaler Kultur anbieten, auf "The Scene" anzuwenden und in ihrer Eignung zu überprüfen.

Abschließend möchte ich die in der obigen Definition von Digitalität und im restlichen Text entwickelten Potentiale einer digitalen Kultur mit den Ergebnissen der Untersuchung von "The Scene" vergleichen und auf hierbei sich offenbarende Abweichungen eingehen.


Embracing Filesharing Culture: "The Scene" im Filesharing-Kapitalismus

Film unterliegt im Internet gleichen Verwerfungen seines Marktes wie andere digitalisierte Medien: Die beschriebene "desubstantialization" und die aus ihr folgende unbegrenzte, mithin unkontrollierbare Verbreitbarkeit von Werken stellt prä-digitale Geschäftsstrategien in Frage. Die Filesharing-Kultur untergräbt die Verwertung von Inhalten als allein über Bezahlung zugänglicher Ware. Die Medienindustrie übt sich noch oft in einer meist aggressiven, jedoch vergeblichen Abwehrhaltung gegen die neuen Strukturen und die mit ihnen einher gehenden kulturellen Trends, während jene, die sich offensiv an die neuen Entwicklungen anzupassen wissen -- wie das sehr wohl gegen Bezahlung Musik, inzwischen aber auch Fernsehserien anbietende iTunes[4] von Apple --, bereits florieren.[5]

Wie sehr die Digitalisierung sich in Ideologien kulturellen Wirtschaftens niederschlägt, sei mit ein paar bedeutenden Beispielen umrissen, die zugleich die in der Einleitung eingeführten Potentiale der Digitalität konkretisieren und erweitern. Letztlich verlangen sie auch eine Positionierung von "The Scene" zu ihnen, die ich in diesem Abschnitt jedoch nur teils geben und erst am Schluss des Textes zuende führen werde. Zuerst ist die Open-Source- bzw. Free-Software-Bewegung zu nennen: Sie strebt freie Zugänglichkeit und freie Veränderbarkeit der Quelltexte an, die Computerprogrammen zugrunde liegen, um einen Prozess ständigen Überarbeitens und Verbesserns der Endprodukte kollaborativ über das Internet zu ermöglichen; ihr bekanntestes Werk: das Betriebssystem GNU/Linux[6]. Ihr Ideengut findet sich auch übertragen auf Kunst und Kultur, etwa in den Veröffentlichungen des amerikanischen Juristen Lawrence Lessig[7]: Dieser fordert unter dem Schlagwort "Free Culture"[8], als nicht mehr zeitgemäß empfundene restriktive Gesetze zum Schutz geistigen Eigentums zu verwerfen, durch die vorhandene Kultur nicht nur der Verbreitung, sondern auch neuerlicher Kulturproduktion in übertriebenem Maße entzogen werde. Dem entgegen gestellt werden Ideen einer Art großer digitaler Kultur-Allmende, in die neue Werke eingingen und aus der nicht nur der Konsument, sondern gerade auch der Künstler zur Weiterverarbeitung und Produktion neuer Inhalte sich -- befördert durch die technischen Strukturen von Internet und Digitalität -- frei bedienen könne (z.B. in Form von Remixen, Sampling usw.). Verwirklicht findet sich dieses Konzept etwa in den sogenannten "Creative-Commons"-Lizenzen, die auf Verwertbarkeit im Geiste dieser Kultur-Allmende maßgeschneidert sind und bereits eine beträchtliche Masse von Werken verschiedenster Art zieren.[9] Zuletzt entwickelt sich auch ohne bewusste Ideologie beim gewöhnlichen Internet-Nutzer ein Umgang mit kulturellen Werken, der sich in seinem Willen zur Aneignung um Gesetze zum Schutz geistigen Eigentums wenig kümmert - wie sich etwa in der massiven, sorglosen Übernahme von fremden Werken auf privaten Websites und Blogs oder bei Online-Avatar-Bildern zeigt.


Auf ihrer Website[10] beschreibt die "The Scene" produzierende Jun Group, Inc., sich selbst folgendermaßen:

Jun Group was founded in 2001 as a way of delivering breakthrough concepts to a select group of clients. Our deep expertise in Internet culture and technology, combined with our long experience in traditional marketing, enables us to connect consumers with brands in memorable, measurable, and exciting ways.

Stärker auf Zielgruppen und Strategien konkretisiert wird diese Tätigkeiten-Beschreibung unterm Navigationspunkt "services" auf "high-impact online and viral programs that reach key influencers where they live: on peer-to-peer networks, blogs, forums, and Web sites". Die zahlreichen Beispiele unterm Navigationspunkt "portfolio" vervollständigen das Bild: Die Jun Group verdient ihr Geld größtenteils mit Online-Medien-Inhalten, die auf die Bewerbung bzw. den Verkauf der Produkte und Marken ihrer Kunden maßgeschneidert sind, von einzelnen Firmen-Websites bis zu "Marcus Hates His Job"[11], einer offenkundig auf ein urbanes, karriereorientiertes, junges Publikum ausgerichteten, ebenfalls nur fürs Internet produzierten Video-Serie, in der Sponsoring und Konsum des Soft-Drinks "Sprite" markante Positionen einnehmen. Dabei hofft die Jun Group für die Propagierung ihrer werbetragenden Medien-Inhalte auf die multiplikatorische Wirkung einer Internet-Kultur, die frei zugängliche Inhalte begierig aufzusaugen und weiterzuverteilen gewillt zu sein scheint.

Auf mehrere Weisen bemüht sich die Jun Group, die Verbreitung ihrer Produkte dieser Internet-Kultur anzuschmiegen: Auf den Websites von "Marcus Hates His Job" und "The Scene"[12] bietet sie neben Möglichkeiten, sich die einzelnen Folgen im Web-Browser anzusehen, auch Links zum direkten Download der Episoden als Videodateien (teils sogar in mehreren Formaten) sowie Links zu ihrem Beziehen und Weiterleiten über diverse Filesharing-Netze (eDonkey, BitTorrent, Gnutella, FastTrack) an. Zugleich wird die "Blogosphäre" (die Gesamtheit aller Weblogs) durch das Lancieren eines Berichtes zu "The Scene" in einem zentralen Multiplikator wie dem ungemein populären Nerd-Blog "Slashdot"[13] als Werbeträger des Werbeträgers aktiviert; auch der Geist der "Free Culture" wird beschworen, indem einerseits "The Scene" selbst unter eine der beschriebenen "Creative Commons"-Lizenzen gestellt und andererseits (etwa in der Bewerbung von "The Scene" bei Slashdot) die künstlerische Aneignung von "The Scene" durch Andere in Form der Parodie-Serie "Teh Scene"[14] öffentlich von der Jun Group unterstützt, verlinkt und gepriesen wird.

In einer Pressemitteilung der "Distributed Computing Industry Association" zu "The Scene" werden Filesharer von Mitchell Reichgut, Drehbuchautor und Regisseur von "The Scene", als wirtschaftlich überaus begehrenswerte Zielgruppe beschrieben, die man mit der Serie im Sinne einer Pionierleistung für die Medienindustrie zu erschließen gedenke; die in den ersten Episode untergebrachte Werbung habe binnen weniger Stunden nach ihrer Erstveröffentlichung zu einer Überflutung der beworbenen Firmenwebsite mit Besuchern geführt.[15] In einem Interview[16] mit der Online-Zeitschrift Telepolis hingegen, in dem er auch die Produktionskosten einer Folge auf 600 Dollar ansetzt, gesteht Reichgut ein, dass von den bis zum Zeitpunkt des Interviews elf Folgen nur zwei Werbung von Sponsoren enthielten. Der wirtschaftliche Zweck von "The Scene" dürfte jedoch, wie auch die zitierte Pressemitteilung und ein Nachfolgeformate versprechender Eintrag in ihrer FAQ, im Ausprobieren und Bewerben des eigenen Konzeptes liegen, über das Internet in höchstem Maße auf Zielgruppen zugeschnittene Video-Serien als Werbeträger mit Methoden viralen Marketings und über Filesharing zu verbreiten; das offenkundige Nachfolgeformat "Marcus Hates His Job" kann hierbei als Erfolgsbeweis interpretiert werden.


Ähnlich dem Werbefernsehen wird also Profit bei "The Scene" nicht durch den direkten Verkauf filmischer Werke an ihre Konsumenten erzielt, sondern über den Verkauf der durch diese Werke errungenen Konsumenten-Aufmerksamkeit an Unternehmen. Wie im Werbefernsehen erscheint diese Entwicklung als geradezu zwangsläufig für das Kapitalisieren eines Mediums, bei dem der Zugang zu seinen Inhalten technisch unbeschränkt ist -- was jedoch in der Praxis zum Beispiel im Fall von iTunes dennoch nicht den Verkauf von Inhalten an Konsumenten gegen Geld verhindert (genauso wenig, wie es etwa in den USA den großen Erfolg eines Pay-TV-Senders wie HBO unmöglich macht). An "The Scene" lässt sich eine Strategie, die Eigenschaften des globalen digitalen Datennetzes filmwirtschaftlich nutzbar zu machen, ablesen; es gibt auch bereits andere, und es werden in der Zukunft der Sphäre der Digitalität wahrscheinlich noch weitere Strategien sich etablieren.


Form und Erfahrung digitaler Ästhetik in "The Scene"

Sieht man vom abstrakten Vorspann und den Texttafeln am Ende ab, wird in jeder Episode von "The Scene" -- ausgenommen Folge 17 -- das Filmbild ausgefüllt von der GUI mitsamt den in ihr offenen Programmfenstern, deren Ort in der Diegese der Computerbildschirm des Protagonisten ist; einzige Ausnahme ist ein Rechteck in der linken (in Folge 14 in der rechten) oberen Ecke des Filmbildes, das den Protagonisten selbst zeitgleich von der Seite in einer statischen, nahen Einstellung an seinem Computer sitzend zeigt.


Dass menschliche Schauspieler mit ihrer Stimme, ihrer Gestik, ihrer Mimik vor allem Anderen die Sympathien, die Identifikation und das Interesse eines Filmpublikums zu tragen wissen, scheint die Geschichte des narrativen Kinos vom klassischen Hollywood-Kino bis auch zum Fernsehen und vielleicht sogar noch zum modernen Blockbuster-Kino nahezulegen -- es ließe sich erwarten, dass in der sicht- und hörbaren Diegese dieses Bereiches in der linken oberen Ecke große Teile der Handlung kommuniziert werden. Doch tatsächlich zeigt dieser den Großteil der Serie in trostlos wirkendem Realismus nur Menschen, die wortlos und meist auch ohne Darstellung von Affekten wenig Anderes tun, als offenbar konzentriert auf einen Bildschirm zu schauen. Selten wird die Routine unterbrochen, durch ein nebenher geführtes Telefonat, in ein paar Folgen auch durch Momente der Kommunikation mit räumlich anwesenden Nebenfiguren, die kurz ins Bild treten (in den Folgen 4 und 5) -- oder sogar nur aus dem Off zu hören sind wie in Folge 14, die allerdings mit einem Stromausfall und dem nachfolgenden Wechsel des vom Protagonisten genutzten Computers immerhin die für diesen Realwelts-Bereich noch aktionsreichste ist.

Der Realwelts-Bereich gerät selten zu mehr als einer das GUI-Geschehen sehr leise begleitenden Untermalung, die wenig zur Serie beiträgt und schnell aus dem Aufmerksamkeitsfokus des Zuschauers verschwindet. Sie erscheint beinahe als ein halbherziges Zugeständnis an frühere Formen der narrativen filmischen Form, doch noch einen photographisch abgebildeten Menschen als Identifikationsobjekt dem Zuschauer anzubieten für jene Figuren des Narrativs, die -- wie noch darzustellen ist -- ihr Wesen und ihre Handlungen auf dem restlichen Bereich des Bildes rein virtuell entfalten. Über den Augenblick, da zum ersten Mal eine vorher nur in der Virtualität gezeichnete Figur in ihrer Verkörperung durch einen vorm Computer sitzenden Schauspieler mit eindeutigen Merkmalen des Alters, des Geschlechts, der Mode und des Stimmklanges präsentiert wird, geht diese zusätzliche charakterisierende Wirkung jedoch kaum hinaus.


Hauptsächlicher Handlungsort ist also die GUI -- in jedem Fall die eines Microsoft-Windows-Betriebssystems. In den wechselhaft ungefähr fünfzehn bis dreißig Minuten dauernden Folgen wird das sich hier vollziehende Geschehen in Echtzeit wiedergegeben, mit den Bewegungen und Aktionen des Mauszeigers und den Eingaben der Tastatur als direkten Umsetzungen des Handlungswillens des Protagonisten. Ganz den Möglichkeiten moderner GUIs entsprechend, werden so die Oberfläche bevölkernde Programmfenster geöffnet, geschlossen, verschoben, minimiert, maximiert, Menüs aufgeklappt, Befehlsfelder angeklickt und in Texteingabefelder Sätze geschrieben. Verwendete Programme reichen von iTunes zur Musikwiedergabe über DVD-Rip- und Enkodier-Software bis zu Web-Browsern, die ihrerseits wiederum nicht nur dem passiven Anschauen von Websites dienen, sondern über Web-Interfaces für E-Mail-Dienste auch aktiv etwa zum Schreiben von E-Mails genutzt werden.

Vor allen anderen Programmen werden jedoch in "The Scene" solche zur schriftlichen Echtzeit-Kommunikation bzw. "Chatten" verwendet: verschiedene Instant-Messaging-Clients, die hier direkter Kommunikation zwischen zwei Einzelpersonen dienen, aber auch "mIRC"[17], ein populäres Programm für "Internet Relay Chat", ein Medium, das Chatten unter mehren Personen gleichzeitig in eigenen virtuellen Räumen erlaubt, jedoch auch nebenher in einem Modus namens "Query" 'private' Konversationen zwischen zwei einzelnen Teilnehmern ermöglicht. In beiden Programmarten werden Konversationen in der visuellen Form von sich nach unten hin fortschreibenden Kaskaden einzelner Äußerungen der Teilnehmer dargestellt, die jeweils in einer neuen Zeile beginnen und denen das Pseudonym des Teilnehmers vorangesetzt ist (in den Instant-Messaging-Clients sind zudem den Äußerungen bestimmter Teilnehmer jeweils bestimmte Schriftfarben zugeordnet), wobei neue Äußerungen vorhergehende nach oben und letztlich aus dem sichtbaren Bereich des Fensters hinausschieben, sobald dieses ausgefüllt ist.

Diese sehr abstrakten visuellen Anordnungen setzt "The Scene" in einigermaßen konventionelle narrative Strukturen und Strategien um und reiht sich damit durchaus mit seiner sowieso schon medial filmischen Form -- einer nicht-interaktiven Abfolge von bewegten, zweidimensionalen Bildern -- in die Traditionen des narrativen Kinos und Fernsehens ein.

Einzelne Figuren treten auf und werden charakterisiert: durch ihre Chat-Pseudonyme, ihre Äußerungen, ihre Sprache, ihre Orthographie. Die Protagonisten, aus deren Desktop heraus eine Folge erzählt wird, werden wiederum auch charakterisiert durch die Musik, die sie ihr iTunes spielen lassen und durch das Hintergrundbild ihres Desktops und die auf diesem verteilten Datei- und Programm-Symbole bzw. Namen. Handlungen werden präsentiert durch das Ausführen von Computerprogrammen -- etwa das Rippen und Enkodieren von Filmen und deren Transport durchs Internet mittels FTP-Programmen -- und durch ihre Erwähnung in Chat-Konversationen (die dann auch Handlungen außerhalb der Digitalität erzählen können).

Erwähnenswert sind mediumsspezifische Kommunikations-Besonderheiten und Strategien der Spannungserzeugung: Der Protagonist kann in verschiedenen parallel offenen Fenstern mehrere Konversationen zeitgleich führen, ohne dass dies jeweiligen Konversationspartnern über Anderes als eine Mitteilung des Protagonisten vermittelt werden könnte. So werden oft mehrere wichtige Konversationen verschiedener Handlungsstränge zeitgleich geführt, quasi im Bild -- ähnlich dem Split-Screen-Verfahren -- montiert, teils bis in einen kaum noch überblickbaren Überschuss gleichzeitiger Informationsströme. In Episode 15 hingegen wird in einem Konversationsfenster dem Protagonist offenbart, dass der Verkehr mit einer bestimmten Person, die, wie der Konversationspartner erklärt, mit hoher Wahrscheinlichkeit vom FBI überwacht werde, einer Selbstauslieferung gleichkomme; wobei der Protagonist in diesem Augenblick gerade in einem anderen Fenster mit jener gefährlichen Person verkehrt. Ebenfalls von Bedeutung im Umgang mit Spannung ist die dem Chat eigene Kommunikations-Struktur einer von Wartepausen durchzogenen Abfolge einzelner Äußerungen (anstelle eines kontinuierlichen Redeflusses wie beim Sprechen), die die Spannung vor erwarteten Äußerungen eines Kommunikationspartners potenziert, wobei in dieser Wartezeit zu keiner Sekunde klar ist, ob jener überhaupt zu antworten gedenkt, gerade im Geist einen Satz formuliert oder bereits sich im Prozess des Tippens befindet (manche Clients zeigen gerade eine Meldung an, dass im Moment getippt werde, was ebenso zur Spannungssteigerung genutzt wird). Ein hierfür exemplarische Suspense-Situation findet sich in Folge 11, in der der Protagonist mit seiner physisch unerreichbaren Freundin chattet, die Geräusche eines vermeintlichen Einbrechers in ihrem Haus schildert und in Augenblicken wachsender Spannungssteigerung den Protagonisten und den Zuschauer jeweils auf ihr nächstes Überlebenszeichen warten lässt.


Doch dass sich "The Scene" trotz ihrer visuellen Abstraktion von fast allem, was ein prä-digitales narratives Kino ausmacht, dennoch in gewohnten Bahnen narrationskognitiv rezipiert werden kann, genügt nicht als Antwort auf die Frage nach den Besonderheiten der Anschau-Erfahrung von "The Scene" als Werk einer digitalen Kultur. Um diesen näher zu kommen, will ich die Serie an einem Ansatz messen, der meines Erachtens von ihr zwar teils ad absurdum geführt wird, dabei jedoch einige interessante Einsichten gewährt: der gerade auch in Bezug auf Ästhetiken des Digitalen betriebenen Gegenüberstellung von "immediacy" und "hypermediacy" bei Bolter/Grusin[18].

Knapp skizziert, werden diese hierin definiert als ein sich durch Kunst- und Mediengeschichte ziehendes Paar sich entgegengesetzter Pole der Arten, wie ein Werk oder Medium mit seiner eigenen Medialität umgehen kann: Es kann sie verbergen, indem es sich bemüht, alles, was seinen Inhalt als medial vermittelt kennzeichnet -- wie auszuradierende Hilfslinien einer Zeichnung und anderes vom Realitätseindruck Entfremdendes -- unsichtbar, "transparent" zu machen, um es dem Betrachter zu ermöglichen, sich diesen Inhalt als wirklichkeitsgetreu vorzustellen, also die Illusion einer Unmittelbarkeit, "immediacy", zu erzeugen. Umgekehrt kann es -- dies wäre "hypermediacy" -- die Zeichen seiner medialen Vermittlung betonen und dabei einen geradezu spielerischen Umgang mit der eigenen Form schaffen, der den Eindruck der Immersion in den Inhalt selbst zwar reduziert, dafür das Werk aber der Integration verschiedener, auch widersprüchlicher Inhalte und medialer Formen öffnet.

In der Digitalität sehen Bolter/Grusin diesen Trend folgendermaßen verwirklicht: "Immediacy" sei stets einher gegangen mit dem Ideal einer unberührten, natürlichen, realen Verbindung oder Indexikalität zwischen Abbildung und Abgebildetem: etwa physischer Verbindung durch Berührung photographischen Filmes durch vom abgebildeten Objekt reflektiertes Licht, oder mathematisch-proportionaler Gleichheit durch Einführung der Zentralperspektive in die Malerei. Diese natürliche Verbindung erfordere Freiheit vom Eingriff des Künstlers und finde sich folglich fortschreitend verwirklicht, je mehr dieser den Schaffensprozess an seinem Einfluss enthobene automatische Prozesse abtrete -- ein Ziel, das mit aus geringfügigen künstlerischen Vorgaben über eine Vielzahl von vorgegebenen Algorithmen computergenerierter Grafik / CGI in hohem Maße erreicht sei. Zugleich sehen sie "immediacy" als Ideal von Virtual-Reality-Welten, die ebenso aufs Erlebnis von Unmittelbarkeit zusteuern würden und dieser auch über Interaktivität mit den Bewegungsintentionen ihrer Konsumenten näher kämen. "Hypermediacy" indes sehen sie verwirklicht in den Erfahrungen von GUIs und des Internet-Surfens; in der Weise, wie diese verschiedenste mediale Formen nebeneinander stellen und zugleich die Aufmerksamkeit des Rezipienten, von jeder Immersion fort, immer wieder darauf lenken würden, interaktiv zwischen ihnen umherzuspringen, und zwar über die stets präsenten, auf das sie umfassende Medium verweisenden, GUI-Navigationselemente.


Wendet man diesen Dualismus auf "The Scene" an, erscheint sie auf den ersten Blick als ein paradoxes Werk, das Momente der "immediacy" und "hypermediacy" fortwährend ineinander schiebt:

Der abgebildete Desktop-Handlungsort selbst wirkt exemplarisch für alles, was für Bolter/Grusin GUIs "hypermediate" macht. Im Umherspringen zwischen verschiedenen Chat-Fenstern wird die Medialität der GUI immer wieder hervorgekehrt, ebenso durch das gelegentliche Web-Browsen sowie Aufrufen von iTunes und anderen Programmen; vor allem Anderen benennt die stets sichtbare Windows-Startleiste am unteren Bildrand mit dem Windows-Logo aufdringlich das Medium, das sämtliche Inhalte vermittelt.

Doch als Abbildung verhält sich die Serie gleich in mehrfacher Weise "immediate":

Einerseits scheint das Narrativ selbst, über seine erzählerischen Strategien etwa der Identifikation mit Figuren, aber auch über den offenbar gegebenen Anspruch, konzentriert und recht ungebrochem vom Zuschauer verfolgt zu werden, zu einer Immersion in die Diegese beizutragen.

"The Scene" ist allerdings auch darauf ausgelegt, auf einem Computerbildschirm gesehen zu werden; nicht nur, weil sie nur übers Internet vertrieben wird und so Festplatten, oder zumindest Arbeitsspeicher, von Computern ihr erster Aufenthaltsort in der Sphäre der Zuschauer sind, sondern auch, weil auf den meisten Fernsehgeräten (in einer Zeit, da in der westlichen Welt HDTV erst langsam einen Markt findet) die Bildauflösung zu gering wäre, um die für hochauflösende Monitore gewählten Schriftgrößen problemlos lesbar zu machen. Schaut man sie sich folglich auf den vollen Umfang eines Computerbildschirms "aufgezoomt" an, entsteht unweigerlich die Illusion, ein tatsächlich auf dem eigenen Computer installiertes Desktop-System arbeiten zu sehen; ein Maß illusionistischer "immediacy", das selten sonst in der Kunst gesucht oder erreicht wird und am ehesten noch nahe der von Bolter/Grusin geradezu als Sonderfall der "immediacy" angeführten Trompe-l'oeuil-Malerei eingeordnet werden kann.

Zudem ist auch hier eine -- eigenwillige -- Form indexikalischer Verbindung zwischen Abbildung und Abgebildetem gegeben: Entgegen den in Kinofilmen und Fernsehserien zuweilen auftauchenden, visuell ansprechend, aber unrealistisch gestalteten GUIs fiktiver Pseudo-Betriebssysteme und -Programme[19], werden hier ungeschönt wirkende, unsortierte GUIs eines tatsächlichen Betriebssystems gezeigt. Die Abbildung ist, wenn man vom Realwelts-Bereich oben links absieht, der ununterbrochene, volle Umfang des Desktop-Bildes. Die Bildauflösung der Abbildung beträgt die gleichen 800à—600 Pixel der Bildauflösung des Abgebildeten -- ein nennenswertes Verkleinern oder 'Herrunterrechnen' würde in der selben Unlesbarkeit geringer Schriftgrößen resultieren, die auch den Konsum über konventionelle Fernsehapparate erschwert. Über die Identität der Bildauflösung hinaus ist hier auch der Zustand eines bestimmten Pixels in Position und Farbe zwischen Abgebildetem und Abbildung identisch; abgesehen von Abweichungen, die entstehen, weil einzelne Bilder -- oder sagen wir besser: Pixel-Matrizen von Farbwerten -- bzw. ihre Abfolgen zur Verringerung der Videodateigröße Kompressionsalgorithmen ausgesetzt werden, die zum Beispiel Anhäufungen beieinander liegender Pixel ähnlicher Farben einen identischen Farbwert zuschreiben können, wobei mehr oder weniger sichtbare und störende Kompressions-Artefakte im Bild entstehen. Das Ideal der Pixel-Indexikalität, wie ich sie nennen möchte, wird dadurch zwar angegriffen, allerdings erfüllen die Kompressionsalgorithmen die Forderung, automatisch, nach ihrer einmal erfolgten Auswahl (und möglicher Anpassung einiger Anfangswerte) ohne Einfluss eines Künstlers die Abbildung zu verändern. Pixel-Indexikalität bezeichnet alles in allem eine Form von rein informationeller, relationaler wie qualitativer Identität von Abbildung und Abgebildetem, die der Digitalität spezifisch zu sein scheint.

Andererseits spricht auch Einiges dafür, die Anschau-Erfahrung von "The Scene" als filmischer Form unter den Mantel der "hypermediacy" zu stecken.

Einerseits stört natürlich der Realwelts-Bildbereich die Immersion in die Desktop-Illusion. Aber diese Störung ist geringfügig, schon allein, weil die GUI bereits sich über eine Vielzahl nebeneinander stehender Fenster und damit Bildbereiche im Bild definiert und theoretisch sogar ein fensterrahmenloses, unverschiebbares Videobild in der GUI technisch im Rahmen des Betriebssystems zu realisieren wäre.

Allerdings lässt sich "The Scene" nicht nur auf den gesamten Bildschirm "aufgezoomt" schauen, sondern ebenso in einem Fenster inmitten einer GUI, was auch den Voreinstellungen der meisten Abspielprogramme und den Anschaugewohnheiten vieler Computernutzer entspricht. Der zuweilen Momente der Langeweile erzeugende Echtzeit-Charakter der einzelnen Folgen legt eine Anschau-Weise inmitten leicht erreichbarer Ablenkung manchmal sogar nahe. Solcherart all den interaktiven "hypermediate" Prozessen ausgeliefert, die bereits als Desktop-spezifisch beschrieben wurden, wäre nach Bolter/Grusin eine deutliche Reduzierung der "immediacy" zu erwarten. Umgeben von anderen Fenstern, tatsächlichen Instant-Messengern, IRC-Programmen und Web-Browsern stellt sich jedoch das genaue Gegenteil ein: Die Diegese innerhalb des Video-Fensters integriert sich ganz hervorragend in die Desktop-Realität, "making the space of the picture continuous with the viewer's space"[20], wie Bolter/Grusin eine Grundstrategie des Unsichtbar-Machens von Zeichen medialer Vermitteltheit und damit der "immediacy" beschreiben. "Immediacy" und "hypermediacy" fallen auf dieser Ebene in eins.


Bolter/Grusin sehen in der Digitalität "immediacy" vorrangig durch photorealistische CGI und Virtual-Reality-Welten verwirklicht -- im Geiste des obigen Zitates über die Kontinuität des Bildraumes zum sichtbaren Raum -- , GUIs und das Web-Browsen hingegen als das von räumlicher Diskontinuität gezeichnete, "hypermediate" Gegenteil. "The Scene" führt diese Gegensätzlichkeit ad absurdum; folgende These scheint mir hierfür als Erklärung sich aufzudrängen:

Der Zuschauer, auf den "The Scene" ausgerichtet ist, muss ein Mensch sein, der in die Sphäre der Digitalität so sehr bereits sich eingelebt hat, dass er sich in ein Narrativ vertiefen kann, dessen Diegese (also nicht bloß: Narration) anstatt in einer dreidimensionalen, materiellen, äußeren Wirklichkeit sich fast nur noch in einem abstrakten, multimedialen, virtuellen Raum der Digitalität vollzieht, wie er in der Einleitung nach Rodowick skizziert wird. Rodowick deutet selbst das Bild eines solchen Wandels an, "the orientation and extensiveness of the body in space ceases to be the
'gold standard' of our mental navigation in space"[21] als Folge der Digitalisierung unserer Kultur. Ein Zuschauer, der die "hypermediacy", die sich im Erlebnis der alltäglichen Nutzung eines Desktop-Computers und des Web-Surfens findet, als Teil seiner Welterfahrung und seiner Realitätswahrnehmung längst verinnerlicht hat, kann auch ein Werk wie "The Scene" als unvermittelte, "immediate" Immersion in eine (fiktive) Wirklichkeit konsumieren.


Offene Potentiale der Digitalität

Allerdings wäre es recht wagemutig, Derartiges allein aus einem Werk abzuleiten, das, wie ich kurz darstellen möchte, noch Einiges an Potentialen, die in der Einleitung und dem ihr nachfolgenden Abschnitt der Sphäre der Digitalität zugeschrieben wurden, unausgeschöpft lässt:

Einerseits in der Ästhetik: Die Protagonisten von "The Scene" mögen noch so eifrig zwischen verschiedenen Fenstern hin und her springen, die Fenster selbst enthalten größtenteils doch bloß reine Text-Konversationen. Diese entfalten zwar zwischeneinander in vielen Momenten einigermaßen non-linear diskursive Geflechte, andere mediale Formen, wie das Web-Browsen und das Aufrufen von iTunes, kommen jedoch nur randständig vor und entfalten das versprochene multimediale Potential kaum. Vor allem werden sie so gut wie gar nicht für narrative Strukturen nutzbar gemacht; so bleibt die Narrativität von "The Scene" letztlich eine erstaunlich konservative, im größeren Bogen der verschiedenen Folgen letztlich linear über Text-Dialoge sich entfaltende; so wie ein Film, der sich eher als Abfilmung eines dialogreichen Theaterstücks begreift.

Andererseits mangelt es "The Scene" an der Interaktivität und der Weiterverarbeitbarkeit, die von der Digitalität versprochen werden. Zwar schreibt Rodowick: "Because there is no act of closure for a data file, regardless of its output medium, it is open to modification at any time."[22] Allerdings lassen sich sehr wohl für digitale Werke vieler Art verschiedene Zustände von "closure" ausmachen: Was für ein Stück Software im Ideal der "Open Source" etwa der Quelltext ist, ein Zustand also, in dem auf sämtliche Informationen, aus denen das Werk generiert wurde, verändernd zugegriffen werden kann, wären zum Beispiel bei einem digitalen Film das gesamte digitalisierte Rohmaterial, die Musik, aber auch die Datei mit den Anweisungen an ein Schnittprogramm, wie all dies zusammenzufügen sei, wobei man die einzelnen Bestandteile verlustfrei austauschen, manipulieren oder gegeneinander verschieben könnte. Eine aus solchen Bestandteilen fertig berechnete Binärdatei oder wahrscheinlich noch mit Informationsverlust komprimierte Videodatei, aus der sich die Rohdaten nicht wieder zurück extrahieren lassen, ist dagegen sehr wohl einigermaßen gegenüber ihrem früheren Entstehungszustand 'abgeschlossen'. An anderen Stellen in der digitalen Kultur wurden hierin die Versprechen der Digitalität bereits eingelöst: Beispielsweise ist es längst üblich, Computerspiele zu großen Teilen bis in kleinste Details der Spielmechanik und Spielwelten für die Endanwender veränderbar und mit eigenen Kreationen austauschbar auszuliefern -- mit dem Ergebnis einer florierenden "Modder"-Kultur im Internet, die aus den Ur-Spielen ganz neue Werke erschafft. Bei "The Scene" dagegen ist selbst das Bekenntnis zur "Free Culture" nur oberflächlich: Die gewählte "Creative Commons"-Lizenz gestattet lediglich die unveränderte Weiterverbreitung, eine Bearbeitung ist nicht gestattet. Dies folgt nachvollziehbar daraus, dass das beschriebene Geschäftsmodell hinter "The Scene" eine Integration von Werbung in das Produkt nahelegt und eine Lizenz zur freien Veränderbarkeit die Verbreitung einer um die Werbung bereinigten Fassung der Serie gestatten würde. Hier steht also ein Profit-Interesse der Rechteinhaber der vollen Entfaltung digitalen Potentials genauso entgegen wie bei anderen Unternehmen im Fall der freien Weiterverbreitbarkeit.


Nichtsdestotrotz hoffe ich, dass es mir möglich war, anhand von "The Scene" einige Tendenzen und Potentiale aufzuzeigen, die bei einer weiteren Untersuchung der Wandlung filmischer Form im Kontext der Digitalität in Betracht gezogen werden können. Es scheint mir unzweifelhaft, dass eine Aufmerksamkeit für diese Wandlungsprozesse auch in den nächsten Jahren nicht an Relevanz verlieren wird.


Fußnoten
[1] Rodowick, 2001, S. 210-214.
[2] "Graphical User Interface".
[3] Bolter/Grusin, 2000.
[4] http://www.itunes.com/
[5] Eine exemplarische Darstellung findet sich bei Röttgers, 2003.
[6] Eine von vielen GNU/Linux-Websites: http://www.linux.org/
[7] http://www.lessig.org
[8] Siehe insbesondre auch sein gleichnamiges Buch: Lessig, 2004.
[9] http://creativecommons.org/
[10] http://www.jungroup.com/
[11] http://www.marcushateshisjob.com/
[12] http://www.welcometothescene.com/
[13] Siehe http://slashdot.org/articles/05/03/17/1322246.shtml und http://slashdot.org/comments.pl?sid=142798&cid=11964993
[14] http://www.welcometotehscene.com/
[15] http://www.dcia.info/News/newsletter_2004-12-06.htm#ReportfromtheCEO
[16] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/20/20653/1.html
[17] http://www.mirc.co.uk/
[18] Bolter/Grusin, 2000, Kapitel Immediacy, Hypermediacy, and Remediation.
[19] Ein Prinzip, das als "MovieOS" bspw. unter http://www.everything2.com/index.pl?node_id=522490 eindringlich beschrieben wird und einige Wochen lang im populären Online-Cartoon "Userfriendly" ab http://ars.userfriendly.org/cartoons/?id=20010111 amüsant thematisiert wurde.
[20] Bolter/Grusin, 2000, S. 25.
[21] Rodowick, 2001, S. 213.
[22] Rodowick, 2001, S. 212.


Literatur:
Jay D. Bolter/Richard Grusin: Remediation. Understanding New Media. Cambridge, Mass./London 2000.
Lawrence Lessig: Free Culture. How Big Media Uses Technology and the Law to Lock Down Culture and Control Creativity. New York 2004.
D. N. Rodowick: Reading the Figural, or Philosophy after the New Media. Durham/London, 2001.

Blog-Nachtrag: (Und, zwar in Fußnote [5] referenziert, aber am Ende in der Literaturliste vergessen: Röttgers, Janko: Mix, Burn & R.I.P. Das Ende der Musikindustrie. Hannover, 2003.)

Saturday April 1, 2006

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Kommentare

  1. Haliotis / 17. December 2006, 23:58 Uhr

    Hallo!
    Sehr gute Proseminar-Arbeit, wie ich finde. Sie haben viele Strukturen und Vorgänge erkannt, die wohl wesentlich sind. Das ist ein spannendes Thema. Ich war sehr überrascht darüber, wie sehr mich so eine Art Film fesseln konnte. Genau, wie Sie schreiben: Ich habe mich so sehr an die digitale “Lebensart” gewöhnt, daß ich mich in ihr verlieren kann und sie mich in den Bann ziehen kann.
    Danke.
    Liebe Grüße

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