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Transformers

Transformers
USA 2007, Michael Bay, 144 Minuten

Michael Bays Roboterklopperei ist ein überfüllter Zeitroman, ein riesiges Panorama über die amerikanische Gegenwart — und damit schonmal mehr als viele ‘edlere’ Filme.

Es gibt bestimmte Muster, an die man sich halten muss, wenn man über einen Michael-Bay-Film schreibt, bestimmte Bahnen, in denen man sich zu bewegen hat. Man darf ganz im Ressentiment baden und rufen: dumpfe, blöde Ami-Kacke für den niederen Pöbel, nur (schlechtes) Wumms und kein erträglicher Inhalt. Oder man nimmt die Schiene des “Guilty Pleasure”: das Wumms, ja doch, das ist sehr schön, das macht mir Spaß, der Rest ist zwar blöde, aber das konsumier ich mit Ironie und Freude am Schlechten. Oder man geht etwas seriöser ran und differenziert: das Wumms, das ist Avantgarde oder altbewährtes Kino der Attraktionen und gut, der Rest, der ist böse Ideologie und schlecht.

So bleibt im besten Falle eine Würdigung von Michael Bay als einem Meister des Wumms (wobei auch da von mancher Seite widersprochen wird, gute Action-Ästhetik ist das nicht, heißt es dann, schau mal nach Asien, was die machen, das ist gute Action-Ästhetik, was Michael Bay macht, das ist nur: hektische Schnitte und kein Plan von der Choreographie der Dinge) und eine Verachtung für das Drumherum des Wumms. Nun, mir hat beim neuen “Transformers” das Wumms gut gefallen, es hat meine Erwartungen erfüllt, es ging viel kaputt. Aber meine hauptsächliche Freude hatte ich mit dem Drumherum, und das sage ich ganz ohne jede Geste ironischer Distanz.

Was mir nämlich auffiel, was mir zusagte, war eine immense Fülle an Welt.

Ich meine damit nicht allein die “diegetische”, die filminnere Welt, wobei auch die eine gute Fülle aufweist: Der Film hat offenkundig viel Geld gekostet, und er hat es nicht nur für CGI ausgegeben, sondern für ein barock überladenes Ausgestalten seiner Räume bis ins letzte Detail, bis ins letzte Hintergrund-Requisit. Filmemacher ohne Geld mögen auf das Weniger-ist-mehr ihrer Inszenierung pochen, auf den Realismus ihrer nicht etwa gestalteten, sondern so auf der Straße vorgefundenen Räume, auf den Mehrwert von Authentizität und Zufall. Eine Produktion wie “Transformers” hat so etwas aber nicht nötig und kann einfach einen Haufen Geld in die Luft werfen, der sich beim Niederregnen (durch die Arbeit unzähliger Kreativer) in eine neue, ganz und gar filmeigene Welt verwandelt. Ist das nicht eine Ur-Aufgabe der Traumfabrik, eine neue Welt jenseits der realen zu schaffen?

Wie viele Nebenfiguren der Film charakterisiert, wie viele Räume er produziert! Das Drumherum in “Transformers” ist nicht etwa mager, sondern vollgefressen, eine einzige erzählerische Verschwendungssucht. Aus der Haupthandlung und ihrer Exposition verweisen Subplots und Vignetten in alle möglichen Richtungen, nur nicht zurück auf ihren Ursprung. Als schönstes Beispiel fällt mir hier der seltsame Gebrauchtwagenhändler ein, mit seiner schwerhörigen Mutter im Nachbargarten und dem bewohnten Straußengehege. Die Szenen werden vollgeworfen mit Krimskrams, bis nichts mehr reinpasst. So wie ein Michael-Bay-Film halt auch insgesamt gebaut ist. Vielleicht kein sehr feinsinniges Vorgehen, vielleicht eines, dem man amerikanische Maßlosigkeit vorwerfen kann, aber hey, es wirkt. “Transformers” ist einer der unterhaltsamsten Filme des Jahres.[*]

Aber “Transformers” besitzt eben wie gesagt nicht nur eine immense Fülle der filminneren Welt. Er ist ebenso vollgepropft mit so vielen Verweisen auf Debatten und Populärkultur der amerikanischen Wirklichkeit wie eine halbe Staffel Family Guy. Die erste Szene allein spannt einen Bogen von der amerikanische Präsenz im Nahen Osten bis zu der problembeladenen Integration der Hispanics in die US-Kultur — und das nicht in der Unbewusstheit, in der sich zwangsläufig die Verhältnisse einer Gesellschaft in ihren kulturellen Erzeugnissen abbilden mögen, sondern mit einer Direktheit, dass hier nur von Absicht und meinungsstarkem Kommentar gesprochen werden kann. Im weiteren Verlauf des Films werden u.a. laut abgehandelt: Pop-Geschichte (über das Autoradio des Transformers “Bumblebee”), Internet-Kultur (die eBay-Milieu-Erzählungen des Films gehen über einfache Schleichwerbung weit hinaus), historische Meilensteine des Westens (von den Arktis- bis zu den Mars-Expeditionen), veränderte Rollenmuster (der Hacker-Nerd ist inzwischen kein bleiches WASP-Kind mehr, sondern ein extrovertierter schwarzer Teenager; und Megan Fox darf als automechanischer “love interest” hier actionmäßig weitaus mehr stemmen und penetrieren als der männliche Hauptdarsteller), moderne Verschwörungstheorien, Ideologie und natürlich diverse Meta-Bezüge (z.B. auf Bays eigenes Schaffen).

Das ist eine literarische Fülle, die ich in so manchem edleren filmischen Diskurs-Werk vermisse. Das ist ein breites Panorama über eine ganze Welt. Vielleicht nach recht engen kulturellen und ideologischen Perspektiven eines Regisseurs, die man ja gar nicht teilen muss. Aber mit einem so breiten Querschnitt, einem so weiten Rundumschlag fühle ich die zweieinhalb Stunden meiner Lebenszeit, die “Transformers” kostet, sehr gut ausgefüllt.

[*] Ein Satz, zur Hälfte abgeschrieben bei Lukas.

Tuesday August 7, 2007

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Kommentare

  1. orcival / 23. August 2007, 15:45 Uhr

    Ich muss auch sagen, meine Erwartungen auf einen unterhaltsamen Vormittag im Kino hat der Film voll und ganz erfüllt.

    Vielleicht nur eine kleine Nachbemerkung: mir fällt schon auf, wie stark der Nahe Osten als (oft nur klischee, aber immerhin) Raum in populäreren Filmen aus USA auftauchen. Das ist nun nicht übermässig unerwartet, aber ich finde es bemerkenswert, dass sich damit erstmals seit Ende des Kalten Kriegs und den anschliessenden (wenig überzeugenden) Versuchen, das russisch/sowjetische Feindbild aufrechtzuerhalten, ein neues Szenario durchsetzt, das zum festen visuellen Vokabular gehört und stark verkürzt abrufbar ist.

  2. Str!ker#100 / 26. August 2008, 10:33 Uhr

    Wer ist eigentlich gut und böse???

  3. Str!ker(100) / 26. August 2008, 10:35 Uhr

    Wer ist eigentlich gut und böse???

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